Westfallische Rundschau
Birgit Kölgen

Nach all der langen Zeit...


Recklinghausen. Es war vor mehr als 20 Jahren, als wir noch jung waren und voller Flower Power. Da kam so ein seltsamer Holländer, der sang inmitten all der laut dröhnenden Rockmusik ganz leise was vom zärtlichen Gefühl. Die Mädels schmolzen. Die Jungs lachten höhnisch, aber beim Schmusen, da wollten sie ihn plötzlich auch gern hören: Herman van Veen, den Seelenstreichler.


Er rührt uns noch, nach all der langen Zeit Das zeigte sich jetzt im Festspielhaus von Recklinghausen, wo der 49jährige Sänger, Geiger und Erfinder kurioser Geschichten eine neue Deutschland-Tournee startete.

Mit einem umgestülptem Regenschirm erscheint Herman van Veen auf der Bühne: immer noch so blauäugig, wenn ihm auch die blonden Kinderlöckchen schon zur Hälfte ausgefallen sind. „Ich hab zwei Söhne und zwei Töchter von zwei Frauen", er singt's wie eine Botschaft, „und ich spiel noch immer Geige... Singen gelingt mir besser als Schweigen."

Dabei schnurrt er nicht nur seine sanfte Töne, sondern läßt die Stimme leidenschaftlich gerne schallen wie ein Barde, der den ganzen Marktplatz unterhält. Auch macht er uns den Gospelsänger, den Tango-Schnulzer oder den ausgeflippten Tenor. Und als ironische Zugabe gibt Herman der Clown seinen Fans „My Way" im Stil eines alternden Lebemannes.

Doch soll man nicht glauben, daß irgend etwas daran spontan erfunden sei. Sogar die Blumen, die man Herman über die Rampe reicht, sind nur ein Show-Gag und werden ihm nach der Sinatra-Nummer unter * Gelächter wieder weggenommen. Dann singt er ernst: „Ich lieb dich noch" und nimmt eine einzelne Rose entgegen.

Kann schon mai passieren, daß die inszenierte Poesie versehentlich zum Kitsch gerinnt - wenn Herman den Ballon-Mond aufgehen läßt, Konfetti streut und auf einem verträumten Dreirädchen der Kindheit hinterherfährt.
Aber wenn es zu gefühlsduselig wird, setzt er selbst die Kontraste. Dann bringt er das böse Lied vom „Messer-schnitt"-Friseur und erzählt makabre Geschichten wie die von dem Knaben Hans Ludwig, der sich, bewegt von einem ach so schönen Van-Veen-Lied („Küßchen"), im Zoo zum Eisbären legte und gefressen wurde.

Nach solchen Schockeffekten tut's noch mal so gut, wenn Erik van der Wurff das Klavier zart perlen läßt und Herman wieder was Liebes singt.

Laß uns zuhören, vollkommen wehrlos. ..



Birgit Kölgen