Recklinghauser Zeitung
Tina Brambrink

Eine clowneske Einmann-Show

30 sept 1994

. Herrhan van Veen: Tournee-Start in Recklinghausen mit Power und Gefühl

Eine clowneske Einmann-Show. Ein Clown, der spielt — mit Worten, mit verschiedenen Sprachen, mit Technik, mit großen weißen Bällen und — mit seinem Publikum. Herman van Veen, fast auf den Tag genau nach zehn Jahren zum zweiten Mal auf dem grünen Hügel in der Festspielstadt zu Gast, wirkt trotz seiner 49 Jahre wie ein großer Junge. Sein liebstes Spielzeug während der 140minütigen Show ist er selbst. Und", soviel vorweg: Der Clown spielt mit viel Power, mit viel Gefühl und das Publikum spielte am Mittwoch abend beim Tourneestart des Holländers nach einer kurzen Eingewöhnungsphase und einigen Stirn-runzlern begeistert mit.



Spätestens nach einer Viertelstunde konnte sich keiner der Präsenz des Künstlers entziehen. Jetzt noch melancholisch, ruhig in sich versunken, auf jedes seiner Worte konzentriert, läßt an Veen im nächsten Moment sein parodistisches Talent übersprudeln, wird in einer Balletteinlage zum sterbenden Schwan, der den Saal zum Toben bringt. Die letzten Lacher sind noch nicht verstummt, singt er plötzlich eines seiner gefühlvollen Liebeslieder. Gerade noch hinreißend komisch als Quasimodo, plötzlich Szenenapplaus für „Ich hab’ ein zärtliches Gefühl“. Ein Wechselbad der Gefühle über 140 Minuten.

Seit 25 Jahren singt und spielt der Holländer für die Liebe und die Phantasie. Er singt wider gesellschaftliche Mißstände, engagiert sich „weil ich überleben will, weil die Kraft der Erde gigantisch ist und wir nur Besucher sind.“ Van Veen läßt dabei kein, Thema aus, klagt etwa die Rechtsradikalenszene in „Messerschnitt“ ob ihrer:Verbohrtheit und Rücksichtslosigkeit an, befreit sich 50 Jahre nach Kriegsende mit Ich liebe dich-Schreien, von der Vergangenheit, „von toter Geschichte“. ,, Am wohlsten fühlt er sich in der Welt der Gefühle. Gefühle, die schmerzen, Gefühle, die glücklich stimmen. Gefühle, und so, seine Hauptbotschaft in „Casablanca“, die ausgesprochen werden müssen, für die Zeit sein muß zwischen Terminhetzerei und Konsumüberforderung.

Singt’s mit ernster Miene und verklärtem Blick, um in der nächsten Sekunde an seinem Mundharmonika-Spiel zu ersticken. Der Parodist van Veen überschlägt sich, wird zum Weihnachtsbaum und bietet ein hin-reißendes Pavarotti-Pas-de-Deux an der Seite seines Saxophonisten Nard Reijnders. Plötzlich die Frage ins Publikum:

„Wie spät ist es?"

Das Spiel ist zu Ende. Schon?! la n9fi9. Tina Brambripk n