Potsdammer Neueste Nachrichten
Klaus Büstrin

Van Veens zärtliches Gefühl

Holländisches Multitalent in Babelsberg

27. Mai 1993

Daß er, Herman van Veen, ein zärtliches Gefühl für jede Frau, jeden Mann, für alles, was lebt, hat, weiß man schon lange. Er wiederholte seine Zuneigung in zwei Konzerten in der Marlene-Dietrich-Halle des Filmstudios Babelsberg. Er kam anläßlich der Holländischen Woche in die Stadt der 1000-Jahr-Feier.


Am Schluß seiner perfekten Show gab es für den Liedermacher. Sänger, Pantomimen und Schauspieler nicht endenwollende Beifallsstürme. Voraus ging ein über zweieinhalbstündiges Programm, das Herman van Veens zärtliches Gefühl in verschiedenen Liedern ausdrückte. Lieder, die Fragen nach unserem Leben und Überleben im Großen wie im Kleinen stellen. Erinnerungen an nur scheinbar vergangene Geschichte werden wach, an Rassenhaß, Verblendung und Krieg. Wenn er darüber singt und spricht, gibt er keine Seifenblasen preis, alles ist tief empfunden, von großer Menschlichkeit. Des Holländers besondere Zärtlichkeit gehört den Kindern. Von ihnen weiß er besofl-ders liebevoll zu singen.

Die Grundhaltung seiner Lieder sind von freundlicher Nachdenklichkeit. Doch kann er auch einen aggressiven Ton anschlagen, beispielsweise in „Wenn Hitler .Mein Kampf gewonnen hätte" oder in „Griff ins Klo“. Aber nie wirkt etwas bei ihm aufgesetzt, kein falscher sentimentaler Drücker stellt sich ein. Die Darbietungen der Lieder, dessen Texte und Musik oftmals von ihm selbst stammen, sind von Echtheit und Schlichtheit durchdrungen. Und immer ist etwas Melancholie mit im Spiele, wofür ja sein Timbre und die Diktion seiner Sprache Voraussetzungen sind.

Herman van Veen kann auch sehr ausgelassen, sogar clownesk sein. Da zaubert er mit seinem Hut, hüpft über die Bühne, musiziert auf der Violine, dem Klavier, der Mundharmonika. Und selbst das Publikum wird zu einem Instrument. Den Schlußapplaus weiß er nämlich zu dirigieren, mal piano, dann wieder forte und ein crescendo. Am liebsten hat er wohl die leisen Töne, denn nach dem er auf den Pauken ein wahres musikalisches Feuerwerk entfachte, braucht er ein stilles Lied, um ganz wieder Herman van Veen zu sein. Da erklang dann ein Weihnachtslied, sieben Monate vor dem Fest, Auch dies wurde vom Publikum dankend angenommen. Ihm zur Seite standen zwei ausgezeichnete Musiker. Meister Ihres Fachs, die schon jahrelang mit Van Veen auf der Bühne stehen:van der Wurff. Klavier und Synthesizer. Nard Reijnders, Saxophon, Klarinette und Akkordeon



Klaus Büstri