Saarbrucker Zeitung
CHRISTOF GRAF

„Ich bin ein pessimistischer Optimist“

Gespräch mit Hermann van Veen, der heute und morgen in Saarbrücken gastiert

26. okt 1994

Der Holländer Hermann van Veen ist Sänger, Texter, Komponist, Musiker, Mime, Clown. Und das bereits seit 25 Jahren. Ganz gleich, ob der aus Utrecht stammende Künstler Theaterstücke, Kinderbücher, Zeichentrickfilme („Die Ente Alfred Jodo-cus Kwak“ z. B.) oder Schallplatten produziert, stets wirkt er verträumt und realistisch, lebensfroh und pessimistisch zugleich. Mit seiner „Live-Grand Hotel Deutschland“-Tournee gastiert er am 26. und 27. Oktober in Saarbrücken.


SZ: In Ihren Konzerten kokettieren Sie oft mit der holländischen Mentalität. Manchmal stellen Sie sich gar als „Clown und Holländer“ vor. Ist das eine humoristische Seite des Nationalbewußtseins?
van Veen: Zum einen bin ich gerne Clown, aber nicht so sehr verwurzelt in der alten Tradition des Zirkusclowns. Zum anderen bin ich dabei in allem, was ich tue, Holländer»

SZ: Und was zeichnet das Selbstverständnis des Holländers aus?
van Veen: Nun, z. B., wenn man als Deutscher sagt, „mein Vaterland“, bekommt man schon eine Gänsehaut. Für einen Holländer hat so etwas seine Bedeutung. Wenn z. B. ein Liechtensteiner von „seinem Staat“ spricht, muß man lächeln. Für einen Holländer hat das keine Bedeutung. So etwas meine ich mit „ich bin Clown und Holländer“. Ich spiele gerne mit solchen Sachen.

SZ: Dies sind also keine versteckten Angriffe auf Rechtsradikalismus überall auf der Welt?


van Veen: Das ist zwar alles sehr schlimm. Viel schlimmer ist aber, daiß wir nichts aus der Geschichte lernen. Wir lernen viel zu viel von Geschichte, die Kriege erzählen. Vielmehr müßten wir Geschichten des Le- bens lernen. Von Bäumen und Träumen, anstatt von Napoleon, Stalin oder Marx z. B....

SZ: Trotz der Koketterie mit Tragik und Komik stimmt so manche Aussage sehr traurig, und sie spielen mit Träumen, stellen Sie auch komisch vor.
van Veen: Ich finde Träume sehr interessant, weil sie sehr viel über uns erzählen. Dinge, die wir eigentlich wollen, über die wir jedoch nie zu sprechen wagen. In einem Traum ist alles möglich. Manchmal werfe ich so einen Traum auf die Bühne und dann lachen die Leute. Ja, das ist mein Traum, mein Lachen. Du kannst niemanden in Deinen Traum mitnehmen.

SZ: Ist Ihr Träumen geprägt von Pessimismus?
van Veen: Auf jeden Fall nicht von Hoffnungslosigkeit. Ich habe noch so viel Hoffnung, wie uns die Vergangenheit übrig gelassen hat. Nicht sehr viel, doch solange es noch Blumen und Vögel gibt, gibt es noch Hoffnung. Ich denke, ich bin ein pessimistischer Optimist.

SZ: Was ist in Ihren Konzerten improvisiert?
van Veen: In den Konzerten geht es darum, zu unterhalten. Manchmal geht man dabei zu weit, manchmal nicht weit genug. Es ist wie auf einem Spielplatz. Und da gibt es Verabredungen. Und es gibt auch die Verabredung, daß es keine Verabredungen gibt. Du mußt nur auf dem Spielplatz bleiben. Nicht zu weit nach links, nicht zu weit nach rechts. Am Ende bleiben so 20 Prozent an Improvisationen.

SZ: Ihr Engagement ist sehr vielseitig. Stört es Sie, in Schubladen wie z. B. in die des Liedermachers gesteckt zu werden?
van Veen: Ich gehe ja nicht nur in Deutschland auf Tournee. Auch in Holland, Frankreich oder England. Der Vorteil in Frankreich besteht darin, daß dort die Liedermacher durch die traditionellen Chansonniers ganz anders angesehen sind. Sie werden verehrt. In Deutschland ist der Liedermacher oft nur so’n Softie, der gegen Atomkraftwerke oder für Gemüseplantagen auf Autobahnen singt. In Holland wiederum bin ich der merkwürdige Herr mit dem groben Utrechter Dialekt. So steckt mich jeder in eine andere Schublade, und ich kann überall ein anderer sein.



CHRISTOF GRAF