Der Tagespiegel
SUSANNE HEYDEN

Alles reine Nervensachen

Dreierpack: Kunze, van Veen und Hoffmann geben sich beim SFB das Mikro in die Hand

12. dez 1993

Für den Clown mit dem zerknickten Regenschirm ist das „Grand Hotel Deutschland" ein politisches Geisterhaus. Der Literat im „Draufgänger"-Outfit läßt den „Kriegstänzer" die „Grenzen schließen und auf alles schießen". Der Kiezpoet schließlich häufelt den Geschichtsmüll der Trümmermütter und Verliererväter auf den Mont Klamott einer ganzen Generation.

Drei sehr unterschiedlichen Songpoeten, allesamt Barden von einiger Reife, widmet der SFB seine Konzertreihe im Großen Sendesaal. Auftakt ist am Dienstag und Mittwoch mit dem niederländischen Multitalent Hermann van Veen. Er ist eher Gaukler als Dichter, kobolzt durch alle Stile und nimmt die Hürde zwischen Poesie und Peinlichkeit auch mal mit elegantem Schwung. Die Conferencen wuchern entweder in den vergnüglichen Nonsens oder die Gardinenpredigt oder beides zusammen. Vielleicht ist das auch Methode. Irritation durch Unentschiedenheit - oder: warum muß ein Entertainer eigentlich immer die Pointen knallen lassen?

Wie alle Spaßmacher spielt van Veen schräge Töne mit Bibber und Bravour und macht den Konzertsaal zur Manege. Das hat nicht immer den Witz, den man sich wünschen würde, aber wenn er singt, bringt er die Frustrierten wieder in die richtige Gemütslage, und das ist doch auch was.
„Ja" heißt das aktuelle Album, und der Titelsong sagt Nein zu stiefeltrampelndem Gleichschritt. Der Kollege Heinz-Rudolf Kunze hat ihm den Text geschrieben, und er selber gastiert eine knappe Woche später im Großen Sendesaal.

Wer Kunzes literarisch-sarkastische Texte nicht genau kennt, kriegt sie im Soundbrei allerdings kaum recht mit. Das etwas bemühte Rocker-Image hat man ihm ebenso vorgeworfen wie die Kopflastigkeit, aber, fragt Kunze listig, „was ist gegen schlaue Texte mit guten Grooves einzuwenden?" Natürlich nichts, und daß Kunze früher Kunst machte und heute Kohle, ist auch nur eine kecke Behauptung. Gefühl kam bei ihm vor lauter Gegenwartsanalyse immer ein bißchen zu kurz, dafür ist das letzte Album ein cyclamatbitteres Balladenbuch: „Ich brauch dich jetzt." Unsentimental und gallig nimmt Kunze seine Beziehungkisten von 1981 bis 1993 auseinander, von der isolationsklirrenden „Romanze" bis zum „Alles gelogen". Reine Nervensachen. Das muß allerdings nicht heißen, daß er live nicht auch wieder die alten bösen Lieder bringt, bei denen man immer nicht so genau weiß, ob die Mitsingefans die hartgeschnittene Kurve auch im Kopf kriegen.

Solche Sorge hat die Gemeinde von Klaus Hoffmann, zwischendrin im SFB-Konzertsaal zu Gast, nun weniger. Auch der immer schneller werdende Tanz der „Blinden Katharina" wird bei den Hoffmaniacs zum Choral, und das ist auch ganz in Ordnung. „Sänger" heißt lapidar die jüngste CD, nichts für Stilpuristen und literarische Nörgler. Wie der Songpoet es schafft, auf der Bühne aus Lyrics, die man tunlichst nicht am Schreibtisch lesen sollte, so etwas wie künstlerische Wahrheit zu machen, das ist schon bemerkenswert. Hoffmann live und auf Konserve scheinen manchmal wie ungleiche Brüder, da kann eine Plattenkritik den Typen schon mal in der falschen Schublade ablegen.
Und der Intellektuelle erwischt sich dabei, zu leicht abstrusen Verskombinationen im Konzertsaal einfach wegzutauchen, wunschlos. Großer Sendesaal des SFB, Masurenallee 8-14 in Charlottenburg. Van Veen Dienstag und Mittwoch, Hoffmann Donnerstag und Freitag, Kunze am 20. und 21. 'Dezember; alle 20 Uhr.



SUSANNE HEYDEN