Kreis-Siegen Blatt
(ng)

Heute noch einmal: Hermann van Veen - Der Bezauherer

Hinter vielen Späßen lauert der Abgrund

12. Nov 1994

Siegen, (ng) Was ist der Mann denn nun wirklich - Sänger, Geiger, Clown, Pantomime, Liedermacher, Tänzer, Dichter, Entertainer, Charmeur? Hermann van Veen, dieses menschgewordene Gesamtkunstwerk aus Holland, scheint alles zugleich zu sein und noch viel mehr. In der Siegerlandhalle warf er gestern abend die Netze seiner Poesie aus - und fing Herzen, Herzen, Herzen.


Drei Männer, ein Programm: Erich van der Wurff saß am Flügel und bereitete dem Sän-. ger den Boden: Machtvolle Gospelklänge, sanfte Jazzakkorde, dazwischen Argentinisches, Blues, Musette.

Zwei traumhafte Begleiter

Nicht ganz so „angebunden", weil mit beweglichen Instrumenten, der Saxophonist und Akkordeonist Nard Reijnders. Immer wieder kam er als kongenialer Duopartner an die Rampe. Dann griff van Veen zur Geige.

Der Holländer erschien mit umgestülptem Schirm auf der Bühne: Einer, der sich nicht treiben läßt vom Wind des Zeitgeistes, sondern sich dagegenstellt. Er präsentierte vor allem neue Lieder - die meisten auf deutsch, einige auch niederländisch, englisch oder französisch. Dazwischen eine hinreißende Tango-Parodie, mit Händen und Füßen „gesungen".

Was van Veen in der - nicht ganz ausverkauften - Siegerlandhalle alles anstellte, , läßt sich im Grunde gar nicht beschreiben: Zu eng sind die spielerischen und musikalischen Akzente ineinander verzahnt, zu skurril sind seine Ideen, zu absurd die Clownerien. Wenn man schreibt:
„Plötzlich kreuzten 20 wackelnde Babypuppen über die Bühne", dann klingt das ziemlich unsinnig. Wenn es sich aber ereignet, während van Veen gerade eine soulige Schmachtnummer abzieht, wo jede Zeile mit „Baby, ouh baby" endet, dann ist das wahnsinnig komisch.

Ú Hinter vielen seiner Späße lauerten Abgründe. Ein Lied wie „Ich liebe dich nicht" aus der Feder des Nazi-Flüchtlings Kurt Weill tauchte direkt nach einer beklemmenden Szene über die „Kinder in Tarngrün, die Messerschnitt tragen und Heil brüllen" auf.

„Rosa" und „Anne" und „Suzanne"

Friedrich Hollaenders „Wenn ich mir was wünschen dürfte" erinnerte nicht nur an die Dietrich, sondern an alle, die damals vor dem braunen Ungeist flohen - sofern sie noch konnten. Und dann war da noch „Rosa", nicht verrückt, nicht normal, nur eben anders... verwandt mit Leonard Cohens „Suzanne", die später auch auftauchte... und „Anne" und das „Zärtliche Gefühl". ..

Heute abend sind die drei Be-zauberer noch einmal live in der Siegerlandhalle zu erleben (es gibt noch Karten).


Die nächste van-Veen-Tournee steht dann erst wieder im Herbst 1996 ins Haus.