Westfalenblatt

Drei Stunden Poesie und lachende Leichtigkeit

11. dez 1993

B i e 1 e fe 1 d (AD). Ein Abend voller Zärtlichkeit und Poesie in der Bielefelder Stadthalle. Ein Abend, an dem Gefühle - Melancholie, überschäumender Humor und vor allem Begeisterung - im Mittelpunkt stehen. Begeisterung für denjenigen, der mit seinen Liedern und seinem Spiel nicht nur um die Herzen seiner Zuschauer wirbt. Herman van Veen gewinnt sie im Sturm. »Ich hab’ ein zärtliches Gefühl«, singt der Holländer in das ausverkaufte Haus. Jeder der Besucher weiß in diesem Moment, daß Herman van Veen es nicht nur einfach singt. Es ist seine Botschaft.


Bereits zum zweiten Male in diesem Jahr stand der Virtuose aus den Niederlanden in Bielefeld auf der Bühne. Am Donnerstag gab er quasi eine Zugabe, nachdem sein erstes Konzert in kürzester Zeit ausverkauft war.
»Konzert« ist ein Wort, das dem Auftritt von Herman van Veen nicht ganz gerecht wird. Der vierfache Vater steht auf der Bühne und verkörpert alles: Sänger, Schauspieler, Clown, Akrobat. Seine Vielfältigkeit läßt einen Abend mit ihm zum Erlebnis werden. Ob man seine Lieder nun mag oder nicht.

Mit »Grand Hotel Deutschland« begrüßt Herman van Veen seine Zir-schauer. Läßt die Besucher einen Moment über die Stimmung in ihrem Land nachdenken, um ihnen gleich darauf aus seinem Tagebuch zu erzählen, daß er ein »unsagbar häßliches Kind war«. Gefühle sind wechselhaft, so wechselhaft wie das dreistündige Konzert des 48jährigen, der von sich selbst sagt, »die Menschen zu lieben«. Singt er gerade noch das Gutenachtlied »Der Bär«, scheut Herman van Veen im nächsten Moment nicht die Frage: »Was wäre, wenn Hitler seinen Kampf gewonnen hätte?«.

Die Aufforderung zur Menschlichkeit und Liebe schnürt der Star in ein Paket aus Leichtigkeit und Humor - nicht unbedingt zaghaft, sondern bisweilen mit viel Sarkasmus. Da zaubert er fast nebenbei einen toten Hasen aus dem Hut oder »äfft« hüfteschwingend Frank Sinatra nach. Immer darauf bedacht, sich selbst auf die Schüppe zu nehmen. Frei nach dem Motto: »Nehmt nicht alles so wahnsinnig ernst.«

Van Veens musikalische Botschaften sind das wichtigste, sein Spiel und Witz aber nicht wegzudenken. Mit einer Perfektion, die niemals an routiniertes Abspielen erinnert, gaukelt er über die Bühne, lacht und bekommt vom Publikum das zurück, was er sich vielleicht am meisten wünscht: Ein Lachen von Herzen.