Wuppertaler Zeitung
Lothar Leuschen

Van Veen riß Wuppertaler in Uni-Halle mit

Trotz Erkältung zweieinhalb Stunden Show

8. okt 1994

Spärlich wirkt die Ausstattung der Böhne. Ein paar Instrumente, ein Fahrrad. Das war's schon. Der Mann braucht Platz, muß auf den Brettern ständig auf und ab gehen, hüpfen und kriechen können. Herman van Veen singt nicht nur, er inszeniert sich in seinem neuen Programm „Für wen sonst".


Am Wochenende feierte van Veen in der Wuppertaler Uni-Halle einmal mehr einen großen Erfolg, zog die Zuschauer in seinen Bann und verausgabte sich völlig. Zugegeben: Van Veens Themen sirid immer noch dieselben, die den Holländer vor 25 Jahren über die Grenze nach Deutschland brachten: Liebe,

Leid, Trauer, Hoffnung. Doch kaum ein anderer transportiert Empfindungen so eindringlich, niemals aber aufdringlich, wie der 49jährige Utrechter. Lieder aus der Feder von Heinz-Rudolf Kunze sind ebenso auf ihn zugeschnitten wie Songs beispielsweise von Kurt Weill und „meinem Onkel Friedrich Hollaender" es zu sein scheinen. Van Veen spannt den Bogen von „Ich hab' ein zärtliches Gefühl" über „Casablanca" bis hin zu „My Way" ohne zu überspannen. Seine sonst so kraftvolle Stimme litt diesmal allerdings unter einer unüberhörbaren Erkältung. Wenn es allzu melancholisch zu werden droht, spielt der Holländer den Clown, entreißt sein Publikum der Bedrücktheit. Eben noch war er der Frisör, der beklagte, die Jugendlichen wollten nur noch „Messerschnitt", intonierte die tragische Dreiecksgeschichte „Ich liebe Dich nicht", um dann in Wildwestmanier über die Bühne zu radeln und Pferde zu imitieren.

Van Veen läßt seine Zuschauer nie allein mit den Geschichten, die längst nicht immer ein gutes Ende nehmen. Er zwingt zum Zuhören, fordert genaues Beobachten. Mal bettet er seine Gäste auf kaum hörbaren Klangteppichen, um sie dann mit akkusti-scher Urgewalt aufzuschrecken. Und immer wieder sind es die kleinen Erlebnisse, die alltäglichen Wahrheiten, die van Veen in den Mittelpunkt stellt, ins Bewußtsein aller rückt und so zu großen Ereignissen werden läßt. Künstler vom Schlage van Veens sind auf intime Atmosphäre angewiesen. Und da tat sich neben stimmlichen Problemen auf dem Grifflenberg eine weitere Schwierigkeit auf. Für Konzerte dieser Art ist die große, kalte Uni-Halle leider nicht geeignet. Und außerdem ist es der guten Stimmung nicht zuträglich, wenn an der Kasse Karten verkauft werden für Plätze, die es gar nicht gibt.



Lothar Leuschen