Westfalen post
Nicole Schneidmüller

Balanceakt der Gefühle

7. nov 1994

Hermann van Veen begeisterte Fans in der Stadthalle

Von Hagen. (WP) Ein schwarzer Vorhang, mittendrin ein weißer Fleck und davor ein Mann, in schwarzweiß gekleidet, mit einem kaputten Regenschirm in der Hand, die blauen Augen weit aufgerissen. Er singt von seinem toten Freund, den er immer wieder vertröstet hat. „Du hast so oft gedacht, warum fahr ich nicht mal hin ...“. Betretene Gesichter im Publikum; vielen sieht man an, daß sie auch so einen vernachlässigten Freund haben. Was, wenn er plötzlich nicht mehr da wäre? Beklemmung macht sich breit. Und dann: Die Beruhigung durch den Mann auf der Bühne: „Na ja, das Leben geht weiter. Hoffentlich nicht zu lange - Zeit ist Geld!“


Das Publikum lacht befreit auf. Eben noch todtraurig, jetzt wieder unbeschwert heiter. Den Balanceakt zwischen den Gefühlen beherrscht Hermann van Veen wie kein zweiter. „Das ist das Tolle an ihm“, schwärmt eine Frau in der Pause, „er läßt einen nie mit seinen Gefühlen allein.“ Der Künstler relativiert: „Das.hab’ ich von meiner Mutter. Die kann in den traurigsten Momenten etwas sagen, daß die Leute sterben vor Lachen. Das ist ihre Art, das Gleichgewicht zu halten.“

Hermann van Veen, der Clown, Sänger, Geiger, Pantomime, hält das begeisterte Publikum im Gleichgewicht -drei Stunden lang. Niemand, der sich dem Charme des Mannes entziehen könnte. Daß die Halle nicht restlos ausverkauft ist, tut der Stimmung keinen Abbruch und läßt auch den Künstler kalt: „Wir sind zwei Tage in Hagen, da kommen vielleicht 3-oder 4000 Leute - ist doch super! Mehr braucht ein Mensch doch nicht.“

Hermann van Veen gibt alles. Ob vor 10 oder vor 1000 Leuten. Erst nach fünf Zugaben verläßt er am Samstag abend die Bühne; geht auf die Wünsche seines Publikums ein; auch, als ein vielleicht fünfjähriges Mädchen nach vorne schleicht und wünscht: „Kannst Du vielleicht Plit- scheplatsche Feder singen?“ Kann er - aber nur eine Strophe. „Ich wußte nicht mehr, wie das weiterging“, gesteht er entschuldigend.

„Ich hab ihn schon fünfmal gesehen und es ist immer wieder toll.“ Eingefleischte van-Veen-Fans kommen immer wieder. Und das, obwohl er mit seinen Liedern nicht in den Charts ist, keine Hitparaden anführt. „Ich glaube, daß die Leute spüren: Da steht ein Mann, der im Prinzip sehr unsicher ist und der sein Bestes gibt“, vermutet der „länger aus Leidenschaft“ (van Veen über van Veen), „Am Ende gehen alle mit einem guten Gefühl nach Haus. Ich auch.“

Und kommen beim nächsten Konzert wieder.



Nicole Schneidmüller