Elisabeth Höving
Der Westen
Herman van Veen umjubelt

Ein zärtliches Gefühl - noch immer
12 november 2009

Recklinghausen. Ein zärtliches Gefühl hat er noch immer. Ein zärtliches Gefühl für alle Träumer und Taugenichtse, für jede Frau und jeden Mann, wenn er nur vollkommen wehrlos lieben kann. Auch wenn Herman van Veen seinen großen Hit beim ausverkauften Konzert im Ruhrfestspielhaus gar nicht sang.




Auch „Schnell weg, schnell weg” stimmte er nicht an. Was passte, denn der 64-jährige Liedermacher stand am Mittwoch abend nahezu drei Stunden lang auf der Bühne - mit zärtlichen Songs, zauberhaften Clownerien und derben Kalauern. Dabei hieß sein Programm „Im Augenblick” - der dann aber nicht zuletzt wegen des heftigen Jubels eines restlos begeisterten Publikums so ausgedehnt ausfiel, dass selbst der erfolgsverwöhnte Entertainer am Ende staunte: „Mensch, Ihr habt Ausdauer!”


Alte und junge Fans


Der Vorhang öffnet sich und Geigen und Gitarren, Piano und Lautsprecher dominieren die Bühne. Van Veen und sein musikalisches Quartett werden sie zu Leben erwecken, sie tanzen, swingen und albern lassen. Der Holländer entert die Bretter im weißen Flatterhemd und nicht minder flattriger schwarzer Hose. Ein Schuh weiß, einer schwarz, der Clown eben. Van Veen ist ein begnadeter Solist, lässt aber auch seinen vier kongenialen Musikern reichlich Raum zur Entfaltung. Der barfüßigen Gitarristin Edith Leerkes, dem sensiblen Pianisten Erik van der Wurff, den singenden Geigerinnen Jannemien Cnossen und Dorit Oitzinger.


Hände reiben und Finger schnippen


Warm up: Gleich bei der ersten Ballade „Es regnet, regnet, regnet” darf das Publikum mitmachen, die Hände reiben, die Finger schnippen. Dass es das auch später noch leidenschaftlich tut, wenn das Wort Regen auftaucht, lässt selbst den Entertainer überrascht schmunzeln.

Homepage Van Veen bleibt sich selbst treu, auch wenn er längst nicht jeden alten Hit wieder aufleben lässt, wechselt zwischen sozialkritischen Songs und soften Liebesliedern. Er gibt die Plaudertasche, wenn er von Vater und Mutter, von Tochter Anne und seinem Enkelkind erzählt und er verzichtet auch heute nicht auf Witze und Kalauer. Beispiel gefällig? „Ein Tag ohne Bier ist . . . wie ein Tag ohne Wein.” Nicht genug? „Treffen sich zwei Männer. Sagt der Eine: Ich glaube, deine Frau betrügt uns.” Nicht zuletzt van Veens Mischung macht die Kurzweiligkeit seines Programms aus.


Weiße Bälle und Glitter


Denn Sekunden später besingt er mit „Kyrie Eleison” die hungernden und toten Kinder dieser Welt, um es kurz darauf weiße Bälle von der Decke und Glitzer ins Publikum regnen zu lassen. Van Veen lässt Luftballons über die Bühne schweben oder hängt sie sich an den Hut. Nur die rote Nase, die setzt sich der Gaukler erst ganz zum Schluss auf. Und da lässt er auch sein Publikum wieder leise mitsingen, singen von Vergessen und von Freundschaft. Vergessen werden diese Menschen Herman van Veen sicherlich nicht.

Zumal er auch jenseits der Bühne als kritischer Geist von sich reden macht. Wegen seiner Haltung zu einer rechtspopulistischen Partei war er erst kürzlich in seiner Heimat in den Fokus niederländischer Neo-Nazis geraten.