In der Wienerzeitung.de schrieb Andreas Kövary am 14.12.2007...
Van Veen: Ich fühle mich als Troubadour
Der holländische Liedermacher Herman van Veen über sein Engagement für Kinderrechte, die "Seelenwissenschaft" der Künste - und warum er nie Politiker werden möchte
Von Andreas Kövary
Wiener Zeitung: Herr van Veen, woher kommt Ihre große Liebe zu Kindern, die einen Schwerpunkt in Ihrem Leben und Werk bildet?
Herman
van Veen: Ich glaube, das hat damit zu tun, dass ich eine glückliche Kindheit gehabt habe. Ich wurde im März 1945 geboren, als Holland eben von den Nazis befreit worden war, und mein Vater hat mir immer gesagt, ich verdankte meine Existenz den Alliierten. Meine Eltern waren 19 und 20 Jahre alt, als der Krieg ausbrach, und haben sich geschworen: Wenn der Krieg vorbei ist, werden unsere Kinder in unserem Leben die absolute Priorität haben. Und das haben sie auch getan. In unserer Straße in Utrecht hatten wir ein "open house", die Kinder aus der Nachbarschaft gingen ein und aus und es war immer etwas los bei uns. Meine Eltern - der Vater war Schriftsetzer, die Mutter verdingte sich als Putzfrau - verstanden sich als Arbeiter, als "Proletarier", und sie taten wirklich alles für meine beiden Schwestern und mich, damit wir "weiterkämen" als sie. Später kam ich sogar auf eine Montessori-Schule, und bin dort auf zwei, drei Lehrer gestoßen, die mich sozusagen "entdeckt" haben. Einer hörte mich immerzu pfeifen, vielleicht ging ihm das ein wenig auf die Nerven, und eines Tages sagte er zu mir: "Junge, wenn du schon so musikalisch bist - da hast du eine Geige, probier's einmal damit." Die Ausbildung in der Montessori-Schule hat mich wohl auch dazu angespornt, mich als 17-Jähriger zum freiwilligen Einsatz bei der Unicef zu melden.
Für die Unicef haben Sie ja auch die bunte Welt des Alfred Jodocus Kwak mit ihren zahlreichen Comic-Figuren erschaffen - nach Disney's Donald Duck wohl die zweitberühmteste
Ente der Welt. Was wollten Sie mit dieser Figur erreichen?
Alfred Kwak stellt immer nur die eine Frage: "Warum?" Ich wollte mit dieser Ente erreichen, dass Kinder aufgrund ihrer Erlebnisse und Erfahrungen die Probleme der "erwachsenen" Welt in ihrem eigenen Denken verstehen lernen. Für Schulprojekte in Afrika erfanden wir etwa weiße Gänse, die schwarze Enten unterdrückten, und wieder stand A. J. Kwak nur dabei und fragte: "Warum?"
Neben dem Bau von Schulen und Hospitälern haben Sie bereits vier Stiftungen ins Leben gerufen: "Colombine", "A.J.K.", "Roos" und die "Herman van Veen Foundation".
Konzentrieren sich alle auf Kinderrechte?
Ja, und die sind auch weltweit unterzeichnet und ratifiziert, außer von den USA, und zwar wegen der Todesstrafe, die dort ja unbedingt auch für 18-Jährige gelten muss. Nur leider Gottes hat das alles keine zwingende Verbindlichkeit. Von einer Welt, in der - naiv gesprochen - beispielsweise Bagdad gar nicht bombardiert hätte werden dürfen, solange sich noch Kinder in der Stadt aufhielten, sind wir sehr weit entfernt.
Zuallererst sind Sie natürlich Musiker, Schauspieler und Entertainer - und schreiben Ihre Bühnentexte und die meisten Lieder selbst.
Wie viel Zeit widmen Sie denn Ihrer künstlerischen und wie viel Ihrer sozialen Arbeit?
Das lässt sich nicht mehr auseinander dividieren. Obwohl ich mein Engagement für die Unicef und meine künstlerische Tätigkeit schon lange entkoppeln möchte, denn die Kombination passt mir nicht mehr wirklich.
Vor einigen Jahren haben Sie ja auch noch zusätzlich zu malen begonnen.
Dass ich das Malen entdeckt habe, ist für mich von enormer Wichtigkeit gewesen. Das ist das Monochrone an mir, das ich im Schreiben und im Musizieren nicht ausleben kann. Ich male nur abstrakt, etwa den Kampf zwischen Licht und Materie, was sehr, sehr anstrengend ist.
Die Künstler, das fahrende Volk - das waren in den frühen Hochkulturen die ersten Völkerverbinder, die ersten "Globalisierer".
Ein Künstler, der nicht bereit oder fähig ist, sich in die "Creative Industries" einzuordnen und damit die "Event-Gesellschaft" zu bedienen, wird heute mehr
denn je an den Rand gedrängt und kann seine Kunst nur unter prekären Arbeitsumständen ausüben. Wie beurteilen Sie die Lage der Künstler in unserer neoliberalen Welt?
Das ist ja leider immer schon in diese Richtung gegangen, aber Sie haben Recht, es ist jetzt noch ärger geworden. Es ist sehr schlimm, wenn Künstlern nicht der Raum zugestanden wird, in dem sie ihre "Seelenwissenschaft" betreiben können. Wenn der Künstler seine Integrität verlieren muss, um Erfolg zu haben, ist das eine Schande für die Gesellschaft. Die Poesie in allen Künsten entwickelt sich in einem Niemandsland, in dem es noch keine Worte, Klänge, Bilder gibt; die müssen erst erschaffen werden - und das ist ein immens heikler Vorgang, dem man nicht die Luft zum Atmen nehmen darf! Ein Skandal, dass gerade bei Kunst und Bildung am rücksichtslosesten gespart wird! Es scheint mir ein Paradox, dass in Zeiten, in denen die Europäische Union zusammenwächst, hauptsächlich die Wirtschaft davon profitiert, während die Arbeit der Kulturschaffenden oft auf der Strecke bleibt. Und das, obwohl - oder doch vielmehr eben weil? - die Kommunikationsbranche nach der Waffenindustrie den zweitgrößten Umsatz weltweit verzeichnet.
Ihre Sympathiewerte in den Niederlanden legen die Frage nahe, ob Sie einem etwaigen Ruf nach "Herman van Veen for Culturel Minister!" folgen würden!?
Um Gottes willen, nein! Einer der wichtigsten Grundsätze in meinem Leben lautet: "Versprochen ist versprochen" - und der berufliche Alltag eines Politikers ist das genaue Gegenteil davon! Mich in meinen Stiftungen für die Kinder in aller Welt einzusetzen, reicht mir an Engagement. Auch meine Gitarristin Edith Leerkes, die mich auf der Bühne begleitet, und meine Frau Gaetanne, mit der ich vier Kinder habe, und auch meine zwei Enkel, teilen dieses Engagement mit mir. Und mein Publikum macht mir jeden Abend das Geschenk, zu lachen und zu applaudieren. Ich kann singen und sagen, was ich möchte - und die Leute nehmen es an. Ich sage Sachen, die einfach sind, die nicht weiter gehen als das, was ich am eigenen Leib erfahren habe - und dafür finde ich in viereinhalb Sprachen meistens auch allgemein verständliche Metaphern. Ich sehe mich in der Tradition der mittelalterlichen Troubadoure, fühle mich zum fahrenden Volk gehörig. Ich reise, spiele, male und musiziere für mein Leben gern, und ich schaffe es, Menschen damit zu berühren - was sollte ich noch mehr wollen? Ich bin ein glücklicher Mensch.
Zur Person
Herman van Veen 1945 in Utrecht als Hermannus Jantinus van Veen geboren; niederländischer Sänger, Schriftsteller, Liedertexter und -komponist. Berühmt wurde er bereits im Jahr 1973 mit dem Lied "Ich hab ein zärtliches Gefühl", sowie als geistiger Vater der Ente Alfred Jodocus Kwak. Van Veen engagiert sich in mehreren Organisationen für die Rechte von Kindern und ist Unicef-Botschafter.
Am 19. Dezember um 20 Uhr tritt er im Wiener Stephansdom mit "Herman van Veen singt und erzählt von Weihnachten" auf.
Freitag, 14. Dezember 2007