In der WAZ schrieb Britta Bingmann am 14.12.2007...
Der nachdenkliche Narr
Herman van Veen war mit seinem Programm "Lieber Himmel" in der Bochumer Christuskirche zu Gast.Augenzwinkernd erzählt er die Weihnachtsgeschichte auf seine Weise: als Appell für Frieden und Kinderrechte
Bochum.
Ungefähr zwei Monate Radeln von hier entfernt liegt Nazareth, ein winziges Dorf in den Hügeln eines warmen Landes. Da lebte lange, lange her Maria, eine junge Frau, die verliebt war in Zimmermann Josef. . . So kann wohl nur ein Holländer die Weihnachtsgeschichte beginnen. Ein Romantiker. Ein Clown. Herman van Veen.
"Mein Publikum", klagte der 62-Jährige einst, "hat sich in den letzten drei Jahrzehnten sehr verändert: 40 Prozent sind schon gestorben." Das kann eigentlich nicht sein: Denn bei der Stippvisite im Revier mit seinem Programm "Lieber Himmel" war die Bochumer Christuskirche am Dienstagabend nicht bloß ausverkauft, sie war proppenvoll. Ganz Junge, ganz Alte und viel dazwischen. Sie jubeln, lassen ihn erst nach vielen Zugaben gehen. Van Veen muss sich um die restlichen 60 Prozent wohl keine Sorgen machen.
Ein bisschen schräg, ein bisschen skurril und ziemlich abgefahren: So war er schon, als er 1972 fürs deutsche Publikum entdeckt wurde, von Alfred Biolek übrigens. So waren auch seine "Seltsamen Abenteuer des Herman van Veen", mit denen er in den 70ern über die Bildschirme geisterte. Er stieg einfach durch ein Gemälde in die Wüste, er flog mit seiner Windmühle davon. Der Sechsteiler wurde ewig nicht mehr wiederholt - warum eigentlich? - und die Fans ereifern sich im Netz. Kopien werden wie Gold gehandelt. Herman ist Kult. Wieso bloß?
Zunächst: Er ist ein Entertainer durch und durch. Ein Sänger, ein Poet. Ein Kolumnenschreiber und neuerdings auch ein beachtlicher Maler. Er ist einer, der mit zarten Geigentönen becircen kann und wildem Gitarrenspiel mit seiner Bühnenpartnerin Edith Leerkes. Er braucht keine Kulisse, nicht einmal Requisiten. Ihm reicht eine Kunstpause, ein Schmunzeln, ein Augenaufschlag: Bühnenpräsenz nennt man das wohl.
Aber Herman van Veen ist viel mehr als das: Wenn der Begriff "Gutmensch" nicht so negativ besetzt wäre, auf ihn träfe er zu. Er zieht sich zwei verschiedene Schuhe an und klebt einen Flicken auf die Hose: Er macht sich zum Narren, um so seine unbequemen Weisheiten zu verbreiten. Seine Themen sind in all den Jahren im Grunde die selben geblieben: Die Kraft der Liebe. Kinder, immer wieder Kinder. Er kämpft für ihre Rechte, gegen die Armut. Für den Frieden. Und das mit großem persönlichen Engagement.
Vor zehn Jahren wurde die Van-Veen-Foundation in den Niederlanden gegründet, 2003 folgte die deutsche Stiftung. In drei Jahren soll am Niederrhein das erste Haus für die Förderung körperlich und geistig behinderter Kinder eingeweiht werden. Van Veen war Unicef-Botschafter, wurde von Königin Beatrix zum Ritter geschlagen, er trägt das Bundesverdienstkreuz und wurde mit der Martin-Buber-Plakette geehrt. Er nimmt seine Sache ernst. Sich selber nicht. Das macht ihn ungeheuer sympathisch.
Doch obwohl er so viel Persönliches auf der Bühne von sich preisgibt, Persönliches weiß man wenig über ihn - was er "gut und richtig" findet. Doch das ist bekannt: Dass seine Ehe mit Marlous gescheitert ist und sie dennoch dicht beieinander wohnen, friedlich, als Familie. Dass er vier Kinder hat, mit denen er innig verbunden ist. Drei arbeiten wie er an der Bühne, einer auf der Bank. "Nun, es macht ihm Freude", sagt van Veen und lächelt schelmisch.
Auch von seinen Enkeln erzählt er, er ist ein stolzer Opa. Aber zum Geschichtenerzählen kommt er selten. Denn sich zur Ruhe setzen kann van Veen noch lange nicht: "Ich höre auf, wenn ich tot bin. Oder wenn die Säle leer sind."