Ariane Witzig schrieb am27.05.2006 in der Süddeutschen Zeitung - München
Alter Spezi
Schön, wenn man einen alten Freund wiedertrifft. Herman van Veens Auftritt im gerade mal zur Hälfte gefüllten
Circus Krone war so ein Abend unter alten Freunden, war wie die Heimkehr in ein vertrautes Nest. Warmer Begrüßungsapplaus,
als der Holländer gemeinsam mit seinem alten Weggefährten und Pianisten Erik van der Wurff, zwei Streichern
und Edith Leerkes an der Gitarre die Bühne betritt. Die bedanken sich, indem sie mit einer feurigen Tango-Nummer und
einem Lied aus seiner aktuellen CD "Hut ab" loslegen. Überhaupt: Wer clowneske kleine Theaterstücke und Hits früherer Tage
erwartet hatte, wurde überrascht. Die Macht der Worte hat der Musik Platz gemacht - ein flamboyantes
Konzert, irgendwo zwischen Chansons à la Brel und Zigeunermusik, in dem der virtuose Utrechter an Geige, Vibraphon und Gitarre
manchmal Mühe hatte, mit seinen jungen Kollegen mitzuhalten.
Opa sei er nun schon, verkündet der 61-Jährige zu Beginn, und das wäre weiter nicht erwähnenswert, würde einem nicht bald schon
klar, dass diesen Philanthropen und leidenschaftlichen Pazifisten ein wenig Resignation befallen hat. Kein "wilder Herman" mehr,
der zwischen seelenvoll-poetischen Liedern tobend und schreiend die Ungerechtigkeiten der Welt anprangert. Heute steht er da,
einen weißen Luftballon in der Hand wie eine Friedenstaube, und beklagt leise die Sinnlosigkeit des Krieges. Dazwischen natürlich:
Lieder von der Liebe, von Einsamkeit und Schuld - und, wie das ältere Menschen gerne tun, immer wieder Erinnerungen an die Kinderzeit.
Die frühere Schärfe ist einer Art Altersmilde gewichen, mit. der er amüsante, harmlose Anekdoten über die
holländisch-deutsche Fußball-Rivalität erzählt und Zoten über Erektionen reißt. Ein bisschen Panflötenspiel
auf den Fingern, parodierte afrikanische Dialekte, eine kleine Ballelteinlage (nach der ihm dann das Kreuz zu
schaffen macht) - alles schon mal da gewesen. Doch einem Freund verzeiht man vieles. Und einem so charmanten
wie van Veen fast alles.