In der Berliner Morgenpost schrieb Astrid Mathis am 22.12.2006...


Herman van Veen singt - und hält die Zeit an
Der Niederländer mit skurrilen Weihnachtsgeschichten in der Passionskirche

Warm war es in der Kreuzberger Passionskirche ohnehin schon. Auf den Bänken drängten sich alle aneinander, und selbst die Stehplätze drohten knapp zu werden. Herman van Veen spielte, erzählte und sang vor ausverkauftem Haus, dass auch den Gästen nahe der Eingangstür warm ums Herz wurde. Es sollte das letzte von acht Konzerten in Kirchen auf seiner Weihnachtstour sein.

Als der Niederländer mit der Gitarristin Edith Leekes die Kirche betritt und "Ich frag mich" anhebt, scheint es, als bliebe die Zeit stehen. Der Trubel der Weihnachtsmärkte und der Stress der letzten Einkäufe sind vergessen. Nur in den Pausen zwischen den Liedern braust stürmischer Beifall auf, ansonsten herrscht andächtige Stille. Manchmal platzt ein Kichern heraus, wenn er eine seiner heiteren Weihnachtsgeschichten erzählt. "Wie ich nicht mehr katholisch wurde" etwa: Aus Angst, an Weihnachten nicht in der Kirche singen zu dürfen, sagt er dem Priester, er sei katholisch und bekommt von ihm den Stempel eines Fischs, das Zeichen Jesu, aufgedrückt. Als die atheistische Mutter das sieht, schickt sie ihn hinaus, die Wäsche abzunehmen. Im Regen verschwindet das Zeichen.


"Stille Nacht" in verschiedenen Sprachen


Van Veens Humor blitzt immer wieder auf. "Zu Weihnachten wird viel weniger eingebrochen als an einem Donnerstag im Herbst, und der größte Atheist hat einen Weihnachtsbaum", erfahren die Gäste. Van Veen präsentiert sich seinen Fans, wie sie ihn kennen, mit Liedern und Anekdoten, die ein Lächeln ins Gesicht zaubern, und Texten, die ins Herz gehen.
Anders ist dieser Abend trotzdem, denn die Geschichte von Maria und Josef zieht sich durch das Konzert wie ein roter Faden. Hat man eben noch über "König Salomon hat 700 Frauen" gelacht und sich bei "Halt mich dicht, dicht an dir" an den Freund gekuschelt, wird im nächsten Moment die Weihnachtsgeschichte weitererzählt, und Ernst mischt sich in die eben noch gefühlte Zufriedenheit. Doch van Veen ist ganz er selbst und verpackt alles Unbequeme mit solchem Charme und einer Ehrlichkeit, die gerne zuhören lässt. Mit dem Lied "Stille Nacht" in verschiedenen Sprachen gehen er und Edith Leekes in die Pause. Die deutsche Version überlässt er dem Publikum.


Die Fans lassen ihn nicht gehen


Im zweiten Teil des Abends wird es noch besinnlicher. Begeisterungsstürme entlocken die Künstler den Fans vor allem für ihre Instrumentalstücke auf Geige oder Trommel (van Veen) und Gitarre (Edith Leekes), die locker und mit viel Spielfreude daherkommen. Alle wissen, ist die Weihnachtsgeschichte zu Ende, ist auch das Konzert vorbei. So wird der Applaus zwischen den Liedern länger und länger.

"Wenn sie gleich nach Hause fahren, fahren sie durch die Böschung, auf der Straße passieren die meisten Unfälle", sagt Herman van Veen bei seinem ersten Abschied und singt "Gesetzt den Fall". Er weiß noch nicht, wie oft er für eine Zugabe zurückkommt. Manche Konzertbesucher sind schon auf dem Heimweg, das Licht ist seit drei Liedern an, und die Fans stehen in Jacken, hören nicht auf zu applaudieren, da beginnt er zart: "Ich lieb dich noch". Es kann Weihnachten werden.


Aus der Berliner Morgenpost vom 22. Dezember 2006



Von Astrid Mathis