Von Peter Claus schrieb am 15.01.2006 in der Berliner Morgenpost


Troubadour der Träume


Da macht der Teenie sogar das Handy aus: Das bejubelte Gastspiel von Herman van Veen im Friedrichstadtpalast


Viele Pingpongbälle, ein bißchen Silberkonfetti und zwei Luftballons - sehr viel mehr an Requisiten braucht Herman van Veen, der Troubadour der Träume, nicht. Und das schon beim ersten Klavierakkord begeistert jubelnde Publikum braucht nichts als ihn, den Harlekin mit dem auch im 61. Lebensjahr liebenswert kindlichen Gemüt. Der Vorhang öffnet sich und schon ist klar: Das wird ein Riesenerfolg.

Die Stimme des unbeirrbaren Moralisten ist nach wie vor von mitreißender Musikalität: laut und leise, hart und heiter, zärtlich und zerrissen, alles auf einmal. Immer wieder beschwört Herman van Veen damit die, wie er es nennt, "Papierboote der Erinnerung". So zerbrechlich wie dieses Sprachbild muten viele Momente des Abends an. Töne in Moll dominieren. Melancholie trägt noch die gröbsten Späße des Clowns, selbst die, die unter die Gürtellinie zielen. Manchmal mutet das wie routiniertes Gutmenschentum an: Weltverbesserungsvorschläge im Dutzendpack. Zum Glück nur manchmal.

Wenn Herman van Veen gut ist, dann ist er sehr gut. Etwa, wenn er das Lied "Als ich noch ein Junge war" singt. Erst mal wird da einschmeichelnd der Blick aufs Schöne der Jugendzeit beschworen, um schließlich mit scharf satirischem Zungenschlag mögliche düstere Seiten dieses Alters zu geißeln. Plötzlich geht da nämlich die Elternfrage "Hast du die Schulaufgaben gemacht?" an eine junge US-Soldatin, die im Irak-Krieg verwundet wurde und nun auf einer Bahre liegt. Augenblicke wie dieser sind von außerordentlicher Klasse: Eben noch lacht das Publikum lauthals, da schweigt es - und eine kollektive Gänsehaut macht sich breit. Einst schenkte der Clown mit "Kleinem Fratz" und "Zärtlichem Gefühl" ungebremster Sentimentalität den Zauber aufrichtiger Poesie. Sich heutzutage, wie er's selbst beschreibt, nicht mehr im Morgen des Lebens tummelnd, sondern längst in dessen Abendstunden angekommen, gibt er den Schatten mehr und mehr Raum. Manchmal scheint's, er ist bitter geworden. Da knallen die bösen Pointen dann wie Peitschenhiebe, zum Beispiel wenn er erzählt vom "Kind in deinem Arm, das, eh' du dich versiehst, groß ist". In Afrika, fährt er fort, laute die Zeile so: "Vom Kind in deinem Arm, das, eh' du dich versiehst, tot ist".

Herman van Veen wird getragen von der Zuneigung seines Publikums - und von seiner exzellenten Crew, den ihn zum Teil seit Jahren begleitenden Musikern und Musikerinnen, bei deren Soli er sich bescheiden zurückzieht. Zu recht. Wenn Gitarristin Edith Leerkes oder jemand anderes spielt oder sie alle zusammen, entfaltet sich ein kunstvoll schillerndes Kaleidoskop virtuoser Musikalität aus Rock, Pop, Folk. Umwerfend! Gesellt sich dann noch die Stimme Herman van Veens dazu, geraten die Zuschauer völlig aus dem Häuschen: Damen in den besten Jahren werfen verzückt rote Rosen, die Herren an ihrer Seite wischen sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, und der mitgeschleppte Enkel schaltet doch tatsächlich sein Handy aus, staunt mit weit aufgerissenem Mund und strahlt. Die Kunst Herman van Veens ist eben ein Wundermittel selbst gegen die schlimmsten Übel.

Friedrichstadtpalast, Friedrichstr. 107, Mitte. Tel.: 23 26 20. Heute und Di - Sa, 20 Uhr.

Fünfundzwanzig Sonntagsfragen an Herman van Veen

Heute ist Sonntag

Wo wachen Sie auf?
In meinem Bett zu Hause oder in einem Hotel.
Was liegt auf dem Nachttisch?
Meine Brille und die TV-Fernbedienung.
Und wer liegt neben Ihnen?
Meine Frau oder niemand.
Was fehlt zu Ihrem Glück?
Frieden.
Sind Sie ein Sonntagskind oder haben Sie sich erkämpft, was Sie sind?
Ich bin ein Sonntagskind.

Sonntagsläuten

Wenn ich es höre, denke ich ......
Ich bin zu spät.
Und welche Musik werden Sie heute hören?
Keine.
Wann haben Sie zuletzt gebetet? (Verraten Sie uns, um was?)
Um meine Eltern.
Gott ist ...?
Alles, was wir nicht verstehen.
Der Mensch ist ...?
Der das tut.
Sonntagsbraten

Der Duft löst bei mir ...
Paradoxe Gefühle aus.
Familie ist ...?
Zuhause.
Heimat ist ...?
Wo ich nicht bin.
Deutschland bedeutet mir ...?
Sehr viel.
Wen laden Sie zu Ihrem letzten Mahl, und was wird serviert?
Meine Kinder, meine Frau, meine Freundin. Es gibt Apfelmus, Pommes, Straußvogelwurst, Wein.

Sonntagsspaziergang

Wohin?
Kreisen im Garten.
Was war der schönste Weg Ihres Lebens?
Ich hab mich mal verlaufen in der Sahara.
Was war der schwerste Weg Ihres Lebens?
Der Weg ins Krankenhaus, wo meine Mutter starb.
Ihr bester Freund: Was macht ihn aus?
Seine bedingungslose Freundschaft.
Hat Sie einmal jemand gerettet (und wovor)?
Dr. Samstoedin - er gab mir Penicillin, sonst wäre ich gestorben.


Morgen ist Montag

Was erwartet Sie?
Kurze Ferien.
Woran arbeiten Sie gerade?
An einem Kinderbuch.
Was können Sie am besten?
Das Singen genießen.
Was fällt Ihnen schwer?
Apathie.
Wen möchten Sie diese Woche auf keinen Fall sehen?
Meinen Onkel Franz, denn der ist gestorben.