Katrin Heine schrieb am 13.02.06 im Westfalen-Blatt - Bielefeld
Schmelzende Geigen und Punkrock
Herman van Veen in der Stadthalle
Bielefeld (WB)
Herman van Veen ist ein Effekthascher im besten Sinne. Er weiß, wie er sein Publikum fesselt, kennt alle Kniffe. Auf der Bühne lässt er nicht nur die Lieder sprechen, sondern auch Zaubertricks und Illusionen. Seine Leidenschaft aber gilt der Musik. Mit den Stücken seines aktuellen Albums im Gepäck spielte er am Freitagabend in der Stadthalle.
Am Schluss wollten sie ihn nicht gehen lassen. Immer wieder forderte das Publikum Zugaben. Dabei hatte Herman van Veen ihnen bereits eine dreistündige Show geboten. Viele Lieder von seinem neuesten Werk "Hut ab!" waren dabei und einige Klassiker. Der Vollblutmusiker spielte abwechselnd Klavier und Gitarre setzte sein Lieblingsinstrument, seine Geige, in Szene und blies eine Luftmundharmonika. Obwohl er ein glänzender Musiker ist, konnte er sich vor allem auf den Gesang konzentrieren, denn er hatte sich hochkarätige Verstärkung mitgebracht. Erik van der Wurff, mit dem er seit vierzig Jahren die Bühne teilt, am Klavier, Edith Leerkes an der Gitarre, Jannemien Cnossen als Geigenpartnerin und Karel Bredenhorst am Cello bekamen alle ihre Chance, dem Publikum zu beweisen, dass sie ihr Handwerk bestens verstehen.
Seine aktuelle CD hat sich Herman van Veen zum 60. Geburtstag im vergangenen März geschenkt. Selbst schon längst Vater und Opa erinnert er sich auch auf "Hut ab" an seine Eltern. Mit dem Stück "Schularbeiten" unternimmt er eine Reise in die eigene Kindheit, die er mit einem Blick auf jugendliche Soldatengesichter im Irak vermischt. Selbst alte Stücke verwebt er mit der Gegenwart. Lauter Jubel in der Stadthalle, als der Niederländer "So fröhlich" anstimmt. Doch sein Klassiker aus der Zeichentrickserie von der Ente Alfred Jodocus Kwak hört sich 2006 anders an und beschäftigt sich mit heutigen Kriegen und Kämpfen. Van Veen Fans dürfen sich von so etwas nicht erschrecken lassen. Da krachen plötzlich Blitze über die Bühne und E Gitarren kreischen. Dazu tanzt der 60 Jährige elegant und ausgelassen. Ins Mikrofon brüllt er: "Ich hab ein zärtliches Gefühl". Das Liebeslied, das jeder Van Veen-Fan im Schlaf mitsingen kann als Punkstück nichts für schwache Nerven, aber überzeugend.
Die Liebe zur Mutter, zur Frau und zum Kind präsentiert Herman van Veen aber auch zärtlich. Sein
mitfühlendes "Kyrie Eleison" gilt allen Traurigen und Armen allen vergessenen Großmüttern.
Seinen Pianisten Erik van der Wurff frag er musikalisch: "Erik, war die Welt besser als wir 18 waren?"
War sie nicht, lautet das Fazit eines Mannes, der seine Erinnerungen liebt, aber genauso die Gegenwart.
"Ich glaube nicht, an den Tod. Ich schließlich noch nie überfahren worden oder vom Kirchturm gefallen",
sagt Herman van Veen. "Und wenn ich 102 bin, dann singe ich für die Würmer."