Sabine Zeller schrieb am 11. März 2006 in der Zeitung Rheinische Post - Viersen
Sinnsucher und Unsinnfinder
Der niederländische Liedermacher Herman van Veen tourt mit seinem aktuellen Bühnenprogramm "Hut ab!" durch Deutschland. In der Viersener Festhalte begeisterte er an zwei Abenden hintereinander.
Viersen:
Wiedersehn was für ein Wiedersehen!? "Ich kam so gern zurück", sang der Lebensgeschichten-Erzähler Herman van Veen Ende der siebziger Jahre, um festzustellen "und wollt' gleich wieder gehen". Und wir? Sind neugierig und gespannt, ob er immer noch Stroh zu Gold spinnen kann. Zufrieden überlassen. wir uns dem Klang des "rr"", das so weich wie Kiesel unter Wasser rollt, dem Wispern der Zischlaute, das im Ohr schmeichelt wie Seide auf der Haut; staunen über die Sonorität der Stimme und ahnen, was kommt, als van Veen seine Geige vorstellt wie eine Geliebte. "Ich bin ihr Sänger und ab zu ihr Clown."
Gebet neben Witzen
Was singt er? Dasselbe, Wie immer: Kindheit, Leben, Liebe. Unrecht, Wegschauen, Draufzeigen. Ein Mann, ein Lied. Er wiederholt sich und ist doch immer anders. Nichts kann sich festsetzen, Ernst löst sich in Lachen, Witz schlägt um in Betroffenheit, unter abgehobenem Quatsch schimmert fester Boden. Der Bühnenprofi quecksilbert verbal, instrumental und pantomimisch. Ein Gebet für "unsere Seele, die zum Teufel geht" hat Platz neben Witzen über die deutsch niederländischen Vorurteile oder der Geschichte vom Europäer, der sich an eine Geisha heranmacht. Der Vater der Ehrbaren haut ihm für diese Kühnheit mit dem Samuraischwert den "Pimmäll" ab. Das Publikum windet sich noch unter den japanisch deutschen Lautsalven, als Herman San Haltung vor der anderen Kultur annimmt.
Seine musikalischen Partner an elektronisch verstärkten klassischen Instrumenten ordnen sich mal zigeunerisch wild, mal melancholisch wiegend van Veen neben, nicht unter. Jannemien Cnossen spielt charmant die zweite Geige. Karel Bredenhorst begleitet dezent, darf sein Cello aber auch alleine virtuos bearbeiten. Die barfüßige Gitarristin Edith Leerkes versetzt mit ihren passionierten Soli die Zuhörer in Entzücken. Der Pianist und Arrangeur Erik van der Wurff steuert seit vierzig Jahren seinen Teil zu van Veens Erfolg bei, mit ebenso unaufdringlicher wie unverzichtbarer Könnerschaft. Ihm erweist van Veen mehrfach die Ehre: mit einer Art Liebeserklärung im Programmheft, dem Lied "Erik, war die Welt besser als wir 18 waren?" und einer gewaltsam verzweifelten Ulkerei am Flügel.
Mag van Veen auch kokettierend mit seinem Alter hadern die Angst vor Lächerlichkeit scheint ihn nicht anzufechten. Dabei lauert die Gefahr an manchen Stellen des Programms. Aber van Veen entgeht ihr, indem er, sich selbst treu, als Erster lacht. Vor der Pause gelingt dieser Balanceakt schwebend, in der zweiten Hälfte sind Bemühtheit und Schwächen zu spüren. Das Publikum gibt nichts drauf, im Gegenteil, die Begeisterung steigerte sich immer mehr. Keiner will wieder gehen.