Susanne Schramm schreef 2 juli 2005 in General Anzeiger
"Schöner Kerl, den holen wir her"
KONZERT Geschichtenerzähler, Clown, Kritiker und Liedermacher: Herman van Veen feiert fast vier Stunden lang Geburtstag mit 2000 Fans in
der ausverkauften Kölner Philharmonie
Von Susanne Schramm
Im März ist er 60 geworden. Das glaubt ihm keiner. Weder diejenigen, die mit ihm in Utrecht, seiner Geburtsstadt, gefeiert haben, noch die, die dreieinhalb Monate später ein vergleichbares Vergnügen in der (ausverkauften) Kölner Philharmonie genießen dürfen. Herman van Veen erläutert dort 2000 Menschen seine Geschichte:
"Vor 35 Jahren war ich zum ersten Mal in Köln. Ich bin im kleinen Sendesaal des WDR aufgetreten. Karsten Jahnke, Thomas Woitkewitsch und Alfred Biol Jürgen Augsteinek haben mich in Holland gesehen und gedacht:
Schöner Kerl, den holen wir her."
Das mit dem Herholen des "schönen Kerls" hat prima funktioniert. Zwei Jahre später brachte der Absolvent des Utrechter Konservatoriums seine erste deutsche Schallplatte "Ich hab' ein zärtliches Gefühl" heraus, und kann seitdem auf eine treue Fan-Gemeinschaft in Deutschland zählen. Derzeit ist er zwar mit seinem Jubiläumsprogramm "Hut ab!" auf Tour, aber Köln ist die einzige Station, auf der er sein Utrechter Geburtstagsprogramm wiederholt: "Es ist für mich ein schönes Gefühl, gerade jetzt, in meinem Jubiläumsjahr, wieder hier, im Schatten des Doms zu sein".
Während "Hut ab!" (l. Dezember Beethovenhalle Bonn) mit Minimalbesetzung - Edith Leerkes (Gitarre/Gesang), Wieke Garcia (Percussion/Voc.), Jannemien Cnossen (Geige/Voc.) und dem originären Pianisten und Wahlbruder Erik van der Wurff - auskommt, benötigt die Geburts-tags-Party ein etwas üppigeres Ensemble:
Zeitweilig sind, außer van Veen, der singt, Gitarre, Geige und Schlagzeug spielt, sechs Musiker, zwei Sängerinnen und vier Tänzerinnen auf der Bühne. Das gibt dem Ganzen - gerade bei den furiosen, von Klezmer- und Zigeunermusik inspirierten Instrumental-Stücken - doch ein wesentlieh fülligeres Gepräge,- "Was "The Soundtrack of my Life" überschrieben ist, kommt als Kombination aus Splittern des "Hut ab! "-Programms, einer Zeitreise i durch 35 Jahre Musikgeschichte, tollen Solo-Einlagen (allen voran Gitarrist Harry Sacksioni) und Personal-Stories daher.
In der Philharmonie lernt das Publikum nebenbei drei Frauen kennen, die immens wichtig für das Geburtstagskind sind: seine grazile Frau, die Tänzerin Ga'etane Bouchez-van Veen, und die beiden bildschönen Töchter Anne-Marije und Babette, deren Stimmen ihrer Erscheinung in nichts nachstehen.
Van Veen erweist sich in fast vier Stunden (mit Pause) als der, der er immer war, als Geschichtenerzähler, Clown, Kritiker und Liedermacher. Der Mann, der seit 1965 auf der Bühne steht, hat nichts an Fülle, Timbre und Bandbreite verloren. Das betrifft das zärtliche Gefühl von 1972 und den kleinen Wahnsinn anno 2005, die alte Liebeserklärung an "Anne", die neu geborene Tochter, oder das zuletzt vor 25 Jahren gesungene Leonard Cohen-Stück "Suzanne".
In Sachen Ausdauer kann man van Veen, der mal auf niederländisch, mal auf deutsch und mal auf französisch singt,
und seinem ebenso unermüdlichen Publikum jedenfalls nichts vormachen: Nach weit über 40 Stücken, nicht zählbaren Intermezzi und Wortbeiträgen, nach diversen Standing Ovations, wilden Beifalls-Juchzem und schier nicht enden wollendem Applaus, hat dieser Abend in der Kölner Philharmonie, ganz knapp vor Mitternacht, dann doch ein Ende.
Was viele auf dem Heimweg mit sich tragen, ist ein ganz wunderbares und sehr poetisches Bild: Herman van Veen und Erik van der Wurff, die Walzer tanzen, um anschließend. Arm in Arm, die Bühne zu verlassen.