interview uit Weimarer Allgemeine van 12 maart 2003


Van Veens Hommage an eine Erinnerung

Gespräch vor den drei Konzertabenden in der Weimarhalle

WEIMAR. Nicht viele Künstler schaffen es, drei Abende hintereinander eine Konzerthalle zu füllen. Während seiner Tournee "Unter einem Hut" spielt der Liedermacher Herman VAN VEEN (56) dreimal in der nahezu ausverkauften Weimarhalle. Christian MEYER sprach vorab für die TA mit dem holländischen Künstler.



Warum wird die Konzert-DVD gerade in Weimar aufgenommen?
Das war eine ganz intuitive Wahl, die ich als Hommage an eine Erinnerung verstanden wissen will. Als ich vor sehr langer Zeit zum ersten Mal hier auftrat, warteten bereits mittags Hunderte vor dem Deutschen Nationaltheater. Am Abend waren es dann Tausende, die begannen, meine Lieder zu singen. Daraufhin habe ich darum gebeten, die Fenster und Türen öffnen zu lassen. Als sich das Klatschen des Publikums wie eine Flutwelle verbreitete, war das eines meiner ergreifendsten Konzerterlebnisse.


Wird auf der DVD auch etwas von der Stadt Weimar zu sehen sein?
In Anlehnung an diese schöne Erinnerung wird das Filmteam zuerst einen Gang zum Theater unternehmen. Darauf folgen Konzertimpressionen und am Schluss werden dann noch einmal Bilder von Weimar zu sehen sein.

Konnten Sie seit Ihren letzten Besuchen Veränderungen in und an Weimar feststellen?
Was für mich unvorstellbar ist, dass die Leute sagen, es ginge ihnen heutzutage schlecht. Und dann habe ich da noch ein Bild, eine Art Cartoon, vor meinen Augen, das ich nicht weiter erklären kann: Weimar als ein altes Gebäude, gegen das eine Person allein versucht, sich kurz vor dem Umkippen entgegen zu stemmen. Es kommt mir so vor, als wenn jemand mit einem Pinsel durch die Stadt läuft, um den Lauf der Dinge zu stoppen, indem er alte Türen gelb anmalt.

Sie bezeichnen sich selbst als Musikant. Worin besteht der 'Unterschied zum Musiker?

Musiker klingt so nach Wettkampf. Das sehr junge, sehr begabte Streichquartett Matangi, das mich wie auch meine langjährigen Tourmusiker begleitet - wir alle haben keinen Belang. Ich verstehe Musikant als Reminiszenz an die Trouveres, die französischen Minnesänger des Mittelalters, die ihre erzählte Subjektivität von Stadt zu Stadt verbreitet haben.

Also Freude und Spaß ohne einen gesellschaftskritischen Anspruch?

Meine Politik ist es, unpolitisch zusein. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, mit meinen Liedern damals im übertragenen Sinne einen Stein aus der Mauer heraus gebrochen zu haben. Ich habe seitdem einen Freund, der mir nach der Wende per Fahrrad einen Originalstein in meine Heimat Utrecht gebracht hat. Vielleicht kann ich heute oder morgen Abend jemanden, und wenn es nur ein einziger Konzertbesucher ist, zum Nachdenken über aktuelles Unrecht bringen.

Wird man später einmal sagen, dass die Produktion der DVD unter dem Eindruck eines bevorstehenden Irak-Krieges stand?

Es werden die Worte El-Kai-da und Bush fallen. Terror bedeutet Armut, Religion, Spiel mit der Macht und Manipulation von Ängsten. Es findet zur-zeit ein gefährlicher Opportunismus, eine beängstigende politische Konfrontation statt. Da bin ich auch Vater, der persönlich Angst hat.

Im Konzertprogramm .Unter einem HüF wöllen-Sie"aUS-nahmslos Lieder singen, die Ihnen sehr am Herzen liegen. Welches sind Ihre drei Lieblingstitel?

,Ein zärtliches Gefühl', ,Fluss Viertel' und ein Lied, das ich zum allerersten Mal singe: .Trostvogel'.

In einem früheren Interview haben Sie geäußert, die DVD soll ,eine Scheibe für die Ewigkeit' werden. Wie sehr liegt Ihnen daran, Spuren auf dieser Welt zu hinterlassen?

Wenn man an Schallplatten, Tonbänder und Musikkassetten denkt, ist das Bewahren eine Utopie. In den Flitterwochen, die ich meiner Frau seit Ewigkeiten versprochen hatte, waren wir vor kurzem in Rom. Die schönste Katastrophe der Welt, das New York der Zukunft - aber längst vergangene Herrlichkeit. Trotzdem werde ich so schön wie möglich singen, damit die Leute, die sich einen Konzertbesuch nicht leisten können, diese Auftritte im Femsehen oder auf DVD genießen können.