Günter Fink schreef 30 oktober 2005 in Welt am Sonntag


"Schadenfreude finde ich blöd"

Der niederländische Entertainer Herman van Veen sieht sich als Clown, der die Menschen lieber mit leisen Tönen zum Lachen und dann zum Nachdenken bringt

Seit fast 40 Jahren verzaubert der Niederländer Herman van Veen als Sänger, Musiker und Erzähler die Konzertbesucher in aller Welt. Im November kommt der 60jährige gleich für sechs Abende in die Hansestadt. Die "Welt am Sonntag" sprach mit dem Entertainer über sein neues Programm, seine Liebe zu Hamburg und sein Leben als Clown.

Welt am Sonntag: Herr van Veen, warum trägt Ihr neues Programm den Namen "Hut ab!"?

Herman van Veen: "Hut ab!" ist eine Ode an Menschen, die ich sehr mag und liebe, wie meine Eltern, die leider nicht mehr leben, meine Kinder und meine Freunde. Das Programm ist ein Art Andacht für die Menschen, die ich nicht vergessen möchte.

Vor welchen Menschen des öffentlichen Lebens würden Sie heute den Hut ziehen?

van Veen: Da fallen mir spontan zwei ein: Irene von Lippe-Biesterfeld, die Schwester unserer Königin Beatrix, die auf ihre ganz eigene, streitbare, unkonventionelle Art versucht, in einem teilweise einsamen Kampf Menschen zu helfen. Und dann ziehe ich natürlich meinen Hut besonders tief vor Nelson Mandela. Ich frage mich, in welche Lage Afrika kommen wird, wenn dieser Mann, diese große Persönlichkeit, einmal stirbt.

Bei welchen Komikern würden Sie den Hut eher aufbehalten?

van Veen: Bei solchen, die mit Schadenfreude arbeiten. Diese Art des Humors ist nicht mein Ding. Ich kann zwar ab und zu mal darüber lachen, aber ich finde es eigentlich auch ein bißchen blöd.

Sie gastieren sechs Abende in der Hansestadt. Ist das ihre persönliche Referenz an Hamburg?

van Veen: Ja, denn in Hamburg hat für mich eigentlich alles begonnen. Alfred Biolek holte mich damals zum WDR-Fernsehen, nachdem er mich in Amsterdam gesehen hatte. Und im Kölner Studio saß Karsten Jahnke aus Hamburg, der heute meine Konzerte veranstaltet. Er hat uns dann auf einer großen Deutschland-Tournee präsentiert. Mein erstes Konzert war 1971 im Schauspielhaus Hamburg. Es war das erste echte Theater, in dem ich in Deutschland gespielt habe. Seitdem habe ich die meisten Konzerte, die ich während meiner Karriere in Deutschland gab, in Hamburg gespielt.

Was lieben Sie an Hamburg?

van Veen: Die Menschen. Hamburg ähnelt irgendwie einer holländischen Stadt, finde ich. Die Mentalität der Hamburger, wie übrigens auch die der Bremer, ähnelt sehr der holländischen.

Sie stehen für kritische und nachdenkliche Lieder, von denen man sich nicht einfach mal so berieseln lassen kann. Halten Sie sich für anstrengend?

van Veen: Klar kann ein Abend mit mir anstrengend sein, aber das hängt vom jeweiligen Konzertbesucher ab, wenn bei dem was nicht stimmt. Ich bin unschuldig. Als Beispiel: Man hat gerade eine Scheidung hinter sich und hört bei mir ein Super-Liebeslied auf der Bühne. Das kann dann zwei ganz unterschiedliche Reaktionen hervorrufen: entweder "bitte jetzt nicht" oder "phantastisch"!

Es gibt das Gerücht, daß Sie nach ihren Vorstellungen ab und zu nach den Zuschauer-Garderoben schauen, ob dort eventuell noch ein Mantel hängt.

van Veen: Das stimmt. Es wäre doch schön, wenn die Menschen im Saal sich so angesprochen fühlen, daß sie beim Verlassen des Theaters ihre Jacke oder ihren Mantel vergessen. Und manchmal laufe ich sogar hinterher, weil es mich interessiert, was das für Menschen sind.

Kann ein sensibler, leiser Poet wie Sie auch mal so richtig laut und wütend werden?

van Veen: Ja, aber nur, wenn ich mit meinem Wutausbruch aus falscher Rücksicht lange warte und ihn auf den nächsten Tag verschiebe. Dann aber kann ich richtig explodieren. Wie vor kurzem, als ich einen Musiker angebrüllt habe, weil ich das Gefühl hatte, daß er sein Job auf der Tournee als eine Art Ferienreise betrachtete. Der hat mich mit seiner Unzuverlässigkeit zur Weißglut gebracht. Dieses Temperament habe ich von meinem Vater. Ich kann mich noch erinnern, als ich 16 Jahre alt war und mich in meinem Zimmer eingeschlossen hatte. Da hat er gesagt: "Mach bitte die Tür auf!" Da habe ich gesagt: "Nein, das ist mein Zimmer!" - "Hermann, mach" bitte die Tür auf!" - "Nein, Papa, das ist mein Zimmer", rief ich auf der anderen Seite der Tür. Und auf einmal stand mein Papa in meinem Zimmer, ohne die Tür geöffnet zu haben. Er hat sie einfach mit Knie, Oberarm, Ellenbogen und Fuß eingetreten. Wie einer von der Feuerwehr. Wir haben dann beide über die Situation wahnsinnig gelacht. Später.

Meistens strahlen Sie aber eine unheimliche Ausgeglichenheit aus. Woher nehmen Sie ihre Ruhe?

van Veen: Ich möchte mein Leben und alles, was dazugehört, genießen. Das ist bei mir immer so, ob ich esse oder mit meiner Frau schmuse. Warum soll ich schnell essen? Das ist doch viel zu schade.

Wie leicht fällt es Ihnen in diesen schwierigen Zeiten, ein Clown zu sein?

van Veen: Ich glaube, daß es nie leicht ist, ein Clown zu sein. Denken Sie nur an Charlie Chaplin und seine Zeit. Man kann Clowns in zwei Gruppen einteilen: der dumme August und der weiße Clown. Ich habe etwas von beiden Clowns in mir. Ich versuche immer, diese gespielte Schizophrenie in einer Person darzustellen. Clowns sind, wie Fellini einmal sagte, "unvermeidlich" und sie sind es deshalb, weil sie auf ihre ganz eigene Weise das große System verdeutlichen. Sie helfen uns jeden Tag, uns selbst zu erkennen und einzugestehen, wie blöd wir doch selber sind.

Also sind wir Menschen alle irgendwie Clowns?

van Veen: (lacht) Ja, sicher, aber die wenigsten wissen es.

Haben Sie Angst vor dem Alter?

van Veen: Nein, heute nicht mehr. Als ich 40 war, da habe ich meine klassische Midlife-Crisis gehabt. Seit dem Tod meiner Eltern vor fünf Jahren habe ich vor nichts mehr Angst, auch nicht vor dem Tod.

Wir können Sie also auch noch mit hundert Jahren auf der Bühne bewundern?

van Veen: (lacht) Wenn es noch geht, warum nicht? Dann nehme ich auch noch Tangostunden. Das wäre doch super, und wenn die Leute das nicht mögen, müssen sie ja nicht in die Vorstellung kommen.

Was möchten Sie der Nachwelt eines Tages hinterlassen?

van Veen: Ein Lächeln.

Das Gespräch führte Günter Fink -"Hut ab!", Show mit Herman van Veen in der Laeiszhalle am 11. und 12. November sowie vom 23. bis 26. November, jeweils um 20 Uhr. Karten an den bekannten Vorverkaufsstellen



Artikel erschienen am 30. Oktober 2005