Sabine Tholund schrieb am 28.05.2005 in den Kieler Nachrichten
Hut ab vor dem Schalk
Herman van Veen begeisterte im Schloss
Seine Stimme ist sanft und cremig wie Nougatschokolade. Warm und schmeichelnd träufelt sie sich ins Ohr, selbst im Flüsterton transportiert sie die Botschaften ihres Absenders mitten ins Herz seiner Zuhörer. Eine große Fangemeinde hatte sich am Donnerstag im Kieler Schloss eingefunden, um Herman van Veen zu lauschen.
Gemeinsam mit seiner ausgezeichneten Band bescherte er dem Publikum einen ganz und gar wunderbaren Abend. Hut ab! heißt das Album, das der Holländer mit der riesigen Stimme pünktlich zu seinem 60. Geburtstag herausgebracht hat. Und so viele Hüte, wie er im Laufe des Abends aus einem großen Koffer auf die Bühne wirft, so viele Hüte will man vor ihm ziehen. Wirklich, der Mann ist 60, man mag es kaum glauben. Der wehende Haarkranz, der jede energische Bewegung des Kopfes auf komisch-groteskes Weise unterstreicht, ist zwar grau geworden, und wenn er zwischen zwei Liedern seine Faxen macht und mit irrsinniger Geschwindigkeit kleine Steppeinheiten einlegt, dann tut er schon mal so, als geböten, die älter gewordenen Knochen seinem Übermut jäh Einhalt. Doch der Griff ins lahme Kreuz scheint reine Koketterie, denn in der nächsten Sekunde huscht wieder dieses schelmische Lächeln über sein Gesicht und ein Paar blitzende Augen verraten eine Energie, die die zählbare Anzahl der Lebensjahre Lügen straft.
Herman van Veen hat sein zärtliches Gefühl nicht verloren. Er ist Sänger und Poet, Geschichtenerzähler und Clown. "Habe ich schon erzählt, dass ich Opa geworden bin?", fragt er und badet scheinbar gerührt im spontan aufbrandenden Gratulationsapplaus. "Mein Enkel hat gerade den fünften Geburtstag gefeiert", fügt er hinzu und freut sich, das Publikum ein bisschen verladen zu haben. Als harmloser Schalk und bissige Spötter wider die katholische Kirche wird er sich in neuen und alten Liedern und Geschichten im Laufe des last dreistündigen Abends präsentieren, als nachdenklicher Ehemann und Vater, nicht zuletzt als kritischer Beobachter, als glühender Pazifist und Bush-Kritiker.
Die geige ist sein Instrument. Er beherrscht sie beinahe so gut wie den Gesang. Wie vom Teufel geritten lässt er den Bogen über die Saiten flitzen, um im nächsten Moment das Tempo herauszunehmen und ganz leise Töne anzuschlagen. Geschmeidiges kommt dazu aus den Reihen seiner Musiker - am Klavier sitzt Erik van der Wurff , Edith Leerkes und Wieke Garcia glänzen auch als Solistinnen, die eine der Gitarre, die andere mit Gesang. Gemeinsam schicken sie irgendwann ein stimmgewaltiges Kyrie Eleison in die warme Nacht, ein Lied, das sich stellvertretend für so viele andere Lieder des Abends explizit an die Bedeutenden und Unbedeutenden, die Armen und Reichen, die Kranken und die Gesunden - eben an alle --richtet. Und alle die da waren, waren begeistert. Hut ab!