FEL schrieb am 22.05.2005 in den Lübecker Nachrichten
Der Poet mit der Geige
Hermann van Veen in der ausverkauften MuK
Lübeck - Herman van Veen ist ein guter alter Bekannter. 1970 trat er zum ersten Mal in Lübeck auf, über ein Foto von Cecilia Bartoli, das in der MuK gegenüber seiner Gardero-
ben-Tür hing, hat er einst ein Lied gemacht. Jetzt ist er - gerade 60 Jahre alt geworden -
wieder auf Tournee, die MuK war bei seinem Gastspiel ausverkauft.
Auch im Rentenalter hat Herman van Veen nichts von seiner Kraft verloren. Er ist ein sehr guter Sänger (und ein weniger guter Dichter), ein guter Geiger und Gitarrist, ein ausgezeichneter Geschichtenerzähler: So kennt man und so schätzt man den Holländer seit Jahrzehnten. Herman van Veen hat sein Publikum sehr schnell in der Hand, er singt auf holländisch, auf deutsch, auf französisch und auf englisch (holländisch klingt am seltsamsten), seine vorzügliche Begleitmusikerinnen und Begleitmusiker machen einen tollen Job.
Trotz neuer Lieder und neuer Arrangements klingt alles an diesem Abend vertraut. Van Veen singt Chansons von Jacques Brel und er ist einer der wenigen Sänger, der bei diesem Versuch nicht in den Niederungen der Peinlichkeit landet. Das ganz große Gefühl, das Pathos, der Schmerz und die Liebe war den Liedern Brels eigen, Herman van Veen kann diese Gefühle auch vermitteln. Bei diesen Chansons mit ihren oft aktuellen Texten ist van Veen am stärksten. Die Texte haben wie die Zwischenmoderationen häufig konkrete politische Themen, und dann ist van Veen gnadenlos politisch korrekt. George W. Bush bekommt sein Fett weg, der neue, Papst natürlich auch, und alles wird brav beklatscht, weil der Sänger ja vielleicht irgendwo doch ein wenig recht hat, auch wenn er pöbelt.
Egal: Der Sänger Herman van Veen, der Poet mit der Geige, ist noch immer ein Großer seiner Zunft, es gibt nicht mehr viele Sänger dieses Kaliebers. Und ein "Zärtliches Gefühl" hat er auch - mit diesem alten Lied eröffnete er den Zugabenteil. Ein nostalgisches Konzert.