Regina Goldlücke schrieb am 22. Januar 2006 in der Welt am Sonntag...


Kämpfer für kranke Kinder

Der Künstler Hermann van Veen will in Xanten ein Haus für geistig und körperlich behinderte Kinder bauen


von Regina Goldlücke

Als trage er das Symbol seiner Vision schon lange in sich, sang Hermann van Veen in einem seiner früheren Lieder: "Ich komm ein Tröpfchen später." Jetzt nimmt er das sanfte Bild auf, um einen Herzenswunsch zu umreißen. Für sein bis ins Detail geplante Alfred J. Kwak-Haus, in dem Kinder in psychischen und physischen Extremsituationen mit ihren Eltern Erholung finden sollen, muß noch viel Geld zusammenkommen. "Dabei zählt jedes Tröpfchen", bekräftigt der holländische Künstler.
Herman van Veen ist ein Bühnen-Zauberer, ein Phantast, ein ewiges Kind. Und gleichzeitig ein unermüdlicher Kämpfer für den Weltfrieden und die Rechte der Schwächsten. "Wir Erwachsenen haben die Pflicht, unseren Kindern ein Leben zu ermöglichen, in dem sie behütet und gesund heranwachsen können", sagt er. "Gingen wir besser mit ihnen um, sähe die Welt friedlicher aus."
Mit dieser Erkenntnis will der 60jährige wenigstens seine eigenen Möglichkeiten ausschöpfen, um Gutes zu bewirken, so viel er kann. Er gründete die Herman van Veen-Stiftung Deutschland mit Sitz in Xanten, wo er in nächster Zukunft ein "Haus der Kinderrechte" errichten will.

Sein besonderes Augenmerk gilt dabei der Förderung geistig und körperlich behinderter Kinder. Dafür treibt er, ebenfalls am Niederrhein, sein wichtigstes Stiftungs-Projekt energisch voran. Am Kesseler See soll so schnell wie möglich mit dem Bau des Alfred-J.-Kwak-Hauses begonnen werden, benannt nach seiner quietschgelben Comic-Ente. Dort sollen ab spätestens 2010 bedürftige Kinder und Eltern unbeschwerte Ferien genießen können.
Und selbst bei diesem Vorhaben taucht das Tröpfchen-Motiv auf: Während die Wohneinheiten für die Familien festen Wiesengrund unter sich haben, ankert das "Erlebnis-Haus" auf dem Wasser - mit tropfenförmigen Umrissen. "Man könnte auch sagen, es sieht aus wie eine Träne", beschreibt van Veen und wünscht sich, es möge eine Freudenträne sein.
Das Grundstück im Wert von 500 000 Euro ist als Schenkung der Stadt Goch an die Stiftung bereits vorhanden. Was bisher noch hakt, ist die Finanzierung. Die Baukosten von 4,5 Millionen Euro sowie der spätere Unterhalt müssen von öffentlicher und privater Hand aufgebracht werden.
Dafür dachten sich Herman van Veen und seine Beratungs- und Planungsgruppe Noah! eine wohltuend bescheiden anmutende Aktion aus: "Für nur zwölf Euro im Jahr kann jeder mithelfen", ermutigt der Niederländer. "Das Geld fließt je zur Hälfte in unser Haus und in Hilfs-Projekte für Entwicklungsländer. So stellen wir ein Gleichgewicht her."

Aber zunächst einmal braucht er Aufmerksamkeit, Beistand und mehr tatkräftige Mitstreiter wie den Fotografen Horst Wackerbarth. Der hatte bei der ersten Begegnung nach einem Konzert schnell seine Seelenverwandtschaft mit Herman van Veen entdeckt: "Wir kämpfen für die gleichen Ideale. Auch für mich ist es eine kollektive Schande, wie die Welt mit ihren Kindern umgeht."
Nun sitzt der Düsseldorfer als "visueller Leuchtturm" mit im Boot der guten Taten. Und wurde gleich aktiv: Im vorigen Herbst schleppte er sein berühmtes rotes Sofa auf das Baugrundstück am Kesseler See am Niederrhein.
Das mit vielerlei Gebrauchsspuren versehene Möbelstück nimmt den wichtigsten Teil seines künstlerischen Schaffens ein. Seit Jahrzehnten reist Wackerbarth mit ihm durch Europa, sammelte von Island bis Sizilien Bilder für seine "Galerie der Menschheit".

Auf einem Traktorreifen ins Wasser geschoben, wurde das Sofa zum schwankenden Thron für Herman van Veen. Das so entstandene Porträt und ein zweites Motiv, das den Musiker mit Kindern zeigt, kommen nun der Stiftung zugute. Als Herman van Veen um die Weihnachtszeit in der Düsseldorfer Tonhalle auftrat, "einem der schönsten Konzertsäle der Welt", enthüllten die Künstler-Freunde die beiden Originale. Demnächst wandern die Bilder ins Museum von Goch, 200 Drucke will die Stiftung an großzügige Spender vergeben.
Horst Wackerbarth, der seinen Modellen stets die gleichen Fragen zu stellen pflegt, hielt auch Hermann van Veens Antworten auf Video fest. Was bedeutet Unglück für ihn? Antwort: "Die Abwesenheit von Licht". Sein glücklichster Moment? "Es gibt vier - die Geburt meiner vier Kinder." Und sein interessantester? "Als es einmal um mich herum geregnet hat. Nur nicht an der kleinen Stelle, wo ich stand." Da haben wir es wieder, das Motiv. Auch der Regen besteht schließlich aus lauter winzigen Tröpfchen.


Artikel erschienen am 22. Januar 2006