Von Ralf Sussek 15 oktober 2005 in Rotenburger Kreiszeitung
Hut ab, Herman!
Seitenhiebe und Seitentür: Herman van Veen begeistert in der Bremer Glocke
Nach knapp drei Stunden wird er gefeiert, der Vorhang fällt, doch Herman van Veen ist noch da. Er läuft durch den Großen Saal der Bremer Glocke und verabschiedet sich winkend von seinem Publikum. Und verschwindet, ganz Star ohne Allüren, durch eine Seitentür.
Der Holländer ist wieder auf Tournee. "Hut ab", heißt sein Programm, und so als wolle er es selbst ad absur-dum führen, hat van Veen im Laufe des Abends gleich mehrere Hüte übereinander auf dem Kopf. Fragen, hin-terfragen, in Frage stellen -diese Fähigkeit hat van Veen künstlerisch ausgelebt, nunmehr 40 Jahre lang. Hut ab, Herman! In Deutschland ist er so bekannt wie in seiner Heimat, und so ist er ein bisschen einer von uns. Und darf sich, seit 1999 Träger des Bundesverdienstkreuzes,
auch weiter um die deutschniederländischen Beziehungen verdient machen, mit großer holländischer und deutscher Fahne die Gefühlswelt der Nachbarn bei einem Fußballspiel erklären. Und darf ungestraft abwechselnd die eine Fahne immer ein bisschen höher halten als die andere. Und wenn sie auf einem Niveau sind, "We Are The Champions" intonieren, da fühlt man sich als Deutscher doch gleich an die vergangenen, also besseren Zeiten erinnert. Der Holländer schaut nach vorn und hofft auf bessere Zeiten bei der WM 2006.
Fast so lange wie die Rivalitäten der Nachbarn bestehen, ist van Veen schon in Deutschland unterwegs. Im Jahr des 2:l-Endspielsiegs von München wagte ein junger Typ aus Holland den Brückenschlag in die Bundesrepublik. Über 30 Jahre ist das her, und irgendwie, meint man, hat sich nicht viel verändert - doch es hat.
Nicht zuletzt Herman van Veen selbst, der eine neue Richtung eingeschlagen hat, weg vom clownesken Soloprogramm "Harlekijn", mit
dem er 1965 sein Debüt gab, hin zum musikalischeren Entertainer, der auch den Kollegen auf der Bühne reichlich Raum gibt. Da singt nie-
mand mehr "Ich hab ein zärtliches Gefühl" oder "Kleiner Fratz" (schade, eigentlich). Stattdessen gleich mehrere Instrumentalstücke. Geblieben sind die kleinen Einwürfe, Seitenhiebe, Gedanken, die der mittlerweile 60-Jährige beiläufig oder vordergründig zum Besten gibt, immer mit einer überraschenden Wendung zum Schluss. Von denen hätte man sich ein allerdings paar mehr gewünscht.
Geblieben sind auch die Themen des Herman van Veen: Schon auf seiner frühen Live-LP "Inzwischen alles Gute" gab?s "eine Geschichte von Gott", auch am Donnerstagabend: "Wenn ich mit Gott rede, sagt man dazu beten, wenn Gott mit mir redet - Psychose". Oder das Thema Alter: "Für den Tod habe ich keine Zeit", witzelt van Veen. Und das glaubt man dem Multitalent, das allein vier Organisationen für die Rechte von Kindern gegründet hat.