Ute Büsing schreef 15 februari 1998 in de Berliner Morgenpost
Melancholische Ode an den Babyberg: Herman van Veen
Sein Haarkranz ist fast weiß geworden, doch die blauen Augen haben nichts von ihrer Kraft
eingebüßt. Erst recht nicht seine immergrünen Hymnen. Herman, der Holländer, überzeugt seit
25 Jahren als Singer-Songwriter, als Magier und Clown, als verläßlicher Publikums-Partner.
Live ist er unschlagbar. Auch bei der neuen Show, die im Konzertsaal der HdK auf gediegene
Caféhausatmosphäre setzt.
Erik van der Wurff am Klavier, Nard Reijnders am Saxophon und Thom Dirks am Kontrabaß
schaffen einen Instrumentalmix aus Folk, Blues, Zigeunermusik, aus dem sich zunächst eine
melancholische Ode an das flache Land herausschält, "wo die Kirchen die höchsten Berge
sind". Dann krempelt sich der Bühnenaktivist die Hosenbeine hoch, stülpt Stöckelschuhe
über und probiert einfühlsam, wie es ist als Mädchen, mit "Brüsten, so spitz wie Beatrix".
Herman, der erste Feminist. Stöckelnd gibt er eine Slapstick-Einlage, und seine Ode an die
Schöne vom Garderobenposter in Lübeck "Cecilia Bartoli" entpuppt sich als Opernparodie.
Schon hüpft er behende ins nächste Genre "bei Ham und Burger", besingt "eternal
unconditional fuckable love". In den Publikums-Chorus bettet er geschickt den Titelsong
seines neuen Albums "Nachbar" ein. Dessen Refrain "Schöne schöne schwarze Afrikanerin,
schöne Schokoladen-Pakistanerin" wäre bei jedem anderen als dem poetischen Herman peinlich.
Unnötig allerdings, daß er seinen "Liebe deinen ausländischen Nachbarn"-Appell mit über die
Bühne gezogenen Negerpuppen illustriert, so wie er sich auf einem Babyberg häuslich
niederläßt.
Sonst ist alles stimmig beim Alleskönner: Das Jacques-Brel-Medley, aus dem sich
"Marieke" herausschält; das Werben um "Rose Levi" als Ritter Lanzelot; der geniale
Stand-up-Monolog des Pedaliers mit Hämorrhoiden. Herman hört überhaupt nicht mehr
auf mit dem Verwandeln. Die Bühnenshow des 52jährigen ist so kurzweilig ausgeklügelt,
daß sie wie improvisiert wirkt. Unentwegt vermählen sich Ernst und Heiter. Auch die
"Fatima Morgana" von der "Nachbar"-CD entwickelt der Verwandlungskünstler aus dem
Slapstick. Nur einer wie Herman dirigiert den Schlußapplaus, spritzt Sprudel in die
ersten Reihen und gibt ein Schubert-Lied als Zugabe. Das paßt zum Dauerbrenner "Ich hab'
ein zärtliches Gefühl". Leicht, tränend.
Ute Büsing
©Berliner Morgenpost 1998
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