Verena Leidig schrieb am 14.10.2005 im Göttinger Tageblatt
Die leisen Töne nehmen zu
Herman van Veen in Göttingen
Auf seiner "Hut-ab-Tour" gastierte der Sänger und Texter Herman van Veen in der Göttinger Stadthalle. Rund tausend Zuschauer
waren begeistert.
So viel ist schon über Herman van Veen geschrieben worden. Er ist ein zarter Poet, ein wunderbarer Sänger, ein Brausekopf, Tramp
und Narr im mittelalterlichen Sinne. Bänkelsänger, Mahner und Ankläger. Der Holländer ist ein Multiinstrumentalist, er spielt
Klavier und Gitarre, und ganz großartig Geige - und ist ein hinreißender Sänger.
Der blasse Holländer bezauberte am Mittwochabend rund 1000 mittelalte Menschen in der Göttinger Stadthalle mit
seinen Liedern und Gedichten. Begleitet wurde er wie immer von seinem Freund und Pianisten Erik van der Wurff. Auch die
hervorragende Gitarristin Edith Leerkes und Wieke Garcia, eine unglaublich starke und feinfühlige Perkussionistin, waren
dabei. Außerdem der Akkordeonspieler Oleg Fateev und die Geigerin Jannemien Cnossen. Jeder Musiker bekommt sein Solo,
herausragend dabei sind Leerkes und Garcia.
Politische Spitzen
Van Veen und seine Musiker geben dem Publikum viel. Sie wiegen die Zuhörer in zweieinhalb Stunden musikalischer Geborgenheit
und Harmonie. Dabei setzt van Veen immer wieder seine politischen Spitzen, er klagt an und rüttelt auf. Er singt und dichtet
gegen den Irakkrieg, gegen den Hunger in Afrika, gegen Nazis und für die Zukunft der Kinder. Er macht immer "weiter so. Mit
Witz und Mut, manchmal mit gerechter Wut". In der Pause erbittet Amnesty International Unterschriften, die Sammelbüchse für
die "Herman van Veen Stiftung" für die Rechte des Kindes geht herum.
"Hut ab" heißt die Tournee, die die Truppe seit Mai durch mehr als 70 Städte in Deutschland und Österreich führt. Van
Veen steht im Mittelpunkt. Er ist ein routinierter alter Hase, seine Shows sind präzise dramaturgisch aufgebaut - manchmal
etwas zu perfekt und wenig spontan. Allzu Ernstes hebt er schnell mit einem kleinen Augenzwinkern auf, mit einer absurden
Geschichte oder Parodie. Auf ein trauriges Lied folgt eine fahnenschwingende Slapstick-Nummer. Van Veen kokettiert mit seinem
Alter, wackelt mit seinem spitzen kleinen Hintern und setzt einen Hut auf den anderen. Doch der Musiker, der im März 60 wurde,
ist ernster und schwermütiger geworden, aber auch schärfer und bitterer. Die leisen Töne nehmen zu. Und das Lachen im Publikum
wird seltener. Herman van Veen hat immer noch viel zu sagen. Und noch immer hört man ihm und seinen ergreifenden Musikern gern zu.
Großer Applaus für einen eigenwilligen Spaßmacher.