Karin Vera Schmidt schrieb am 14.05.2005 in der Hannoversche Allgemeine Zeitung
Der wilde Clown
Herman van Veen mit Band im Theater am Aegi
Es ist immer ein Geben und Nehmen, wenn Herman van Veen mit seinen Musikern auf der Bühne steht. Publikum brauchen die eigentlich nicht, sie haben auch so genug Spaß miteinander. 60 Jahre ist Herman van Veen mittlerweile alt, er hat eine neue Band und ein neues Programm: "Hut ab". Und das hannoversche Theater am Aegi ist fast ausverkauft. Mit Erik van der Wurff am Flügel spielt van Veen schon seit 40 Jahren zusammen, doch Routine scheint es zwischen den beiden nicht zu geben. Zudem begleiten diesmal drei Frauen den Holländer.
Wie kein anderer beherrscht Herman van Veen die Kunst, gegensätzliche Gefühle in kurzer Folge anzurühren, immer mit diesem Schuss Melancholie. Da merkt man erst, wie dicht alles zusammenliegt. Wie schnell wird aus einem Wiegenlied für ein deutsches Kind ein Sterbelied für ein afrikanisches. Van Veen ist ein Meister der Brüche, hält sich nie so lange auf, dass er sich festnageln ließe, zappelt schon wieder am Bühnenrand herum, wirft Tischtennisbälle auf seine Musiker, speit Wasser aus vollen Backen in die ersten Reihen. Ein Magier, ein Gaukler, ein Klangbesessener.
Die Stimmen von Edith Leerkes, Jannemien Cnossen und Wiebke Garcia stehen van Veens Musik gut. Allen voran bestimmt Leerkes gefühlvolle Fingerfertigkeit an der Konzertgitarre das musikalische Geschehen. Sie hat wirklich singende Finger. Und van Veens Geige klingt vielleicht so nachdrücklich wie zuvor. Gegen Ende des Abends schreitet der Holländer zu einem Solo, das mit clownesker Präzision trübe Gedanken vertreibt. Damit die Träume gut werden. Am Flügel mit wild-imaginären Virtuosenstückchen läuft der Zauberer zur Höchstleistung auf.
Er habe van Veen eigentlich zu oft gesehen, hat ein Besucher kurz vor konzertbeginngesagt. Wie das? Herman van Veen gibt einem das Hier und Jetzt zurück. Immer aufs Neue.