Martina Schürmann schrieb am 13.07.2005 ( KULTUR / MANTEL) - NRZ
Ayurveda für die Seele
MUSIK / Den 60. Geburtstag von Herman van Veen feierten Kollegen, Freunde und Fans mit einem Extrakonzert in der Essener Philharmonie.
ESSEN. "60! Was, jetzt schon?" Das Lied wird an diesem Abend von Reinhard Mey gesungen. Zumindest einer, der im philharmonischen Bühnenhalbrund noch ein bisschen älter ist und ebenso jung wirkt wie der am 14. März 1945 in Utrecht geborene Jubilar. Herman van Veen, Deutsch singender Niederländer, Charme sprühener Seelentröster und kurzweiliger Vergnügungs-Grübler, ist der vielleicht zeitloseste Zeitgeist des Unterhaltungsgeschäfts. Und ein leiseweiser Lebenslehrer, der in Deutschland zwar keinen Beamten-, aber in jedem Fall Kultstatus hat. Man erkennt das, wenn 1600 Menschen zur verspäteten Geburtstagsfete kommen, viel Geld für einen guten Zweck zahlen (das Alfred J. Kwak Haus in Goch), dazu lauthals "Happy Birthday" singen und erst gegen Mitternacht wieder gehen. Selbst das leicht gewordene Ring-Halbschwergewicht Henry Maske wirkt da im Publikum schon etwas erschlagen, aber der Mann mit der aparten Mittelglatze hat immer noch eine Zugabe parat.
Akku für leergelaufene Empfindungs-Batterien
Kaum eine Woche, in der Herman van Veen derzeit nicht die Konzerthallen füllt. Aber dieser Abend ist anders. Freunde sind gekommen, für deren Liedermacher-Leben van Veen vielleicht nicht der Auslöser, aber womöglich mal Sekundant gewesen ist: Reinhard Mey, Heinz Rudolf Kunze und Klaus Hoffmann, der dieses "zärtliche Gefühl" der Deutschen für ihren ganz und gar unstaatstragenden Bundesverdienstkreuzträger in Worte fasst: Herman, wir lieben dich!
Natürlich liegt das Copyright dieser ungefilterten Emotionsausstöße bei van Veen, der in den frühen 70ern schon über allerlei diffuse Gefühlspartikel sang, für die es damals noch gar keine DIN-Norm gab. Als Akku für leer gelaufene Empfindungs-Batterien funktioniert der 60-Jährige noch heute.
Und so ist ein Abend mit ihm wie eine Ayurveda-Kur für die alltagsvergiftete Seele, gewissermaßen eine "ganzheitliche" Show-Erfahrung mit familiären Anekdoten und feurigen Instrumental-Intros, mit Klezmer-Klängen und Tanz-Eurythmie, mit Tochter Anne und Dauerbegleiter Erik van der Wurff, mit Kindheits-Kalauern ("Linoleum ist katholisch für Teppichboden") und Alters-Erkenntnissen: "Ich hab schon Sachen angehabt, die wieder in sind." Nein, altmodisch ist Herman van Veen nie gewesen, eher zeitlos, ewig heutig. Sein "Alles ist wichtig"-Text ist bereits bei den getöteten Kindern in London angekommen, wie es eben noch bei Fatima mit dem Schleier war.
Gott und die Welt, Slips und Seelenstrip
Der Bariton der Betroffenheit könnte Abnutzungserscheinungen zeigen, würde er nicht immer wieder von dieser ungestümen Kraft eines unorthodoxen Predigers für Toleranz und Freiheit, eines versöhnlichen Kämpfers für Frieden und Kinderrechte gespeist. Und so geht es, wie immer, um Gott und die Welt, um Holland gegen Deutschland, Unterhosen und Seelenstrip. Und vor allem um die anderen. Herman van Veen ist hier Gaststar und Gastgeber, Vorsänger und Zuhörer zugleich. Was man ihm noch gewünscht hätte? Eine besser ausgesteuerte Mischpulttechnik, die einzige Disharmonie dieses ausgedehnten Feier-Abends. (NRZ)