Spe schrieb am 12.05.2005 im Täglicher Anzeiger Holzminden
Familientreffen mit neuen (Un-)Bekannten
Ein Musikclown, der viel Ernsthaftes zu sagen hat: Herman van Veen.
Beverungen (13.05.05). Wenn Herman van Veen nach Beverungen kommt, wo er, wie er scherzte, seit fast 30 Jahren das selbe Zimmer beziehe ("Ich hatte etwas unters Bett gelegt, und es war noch da"), dann herrscht eine Atmosphäre wie bei einem Familientreffen. Kein Wunder: 14 Mal war van Veen seit 1979 zu Gast an der Weser, man kennt sich gut, man ist per Du. Und wer den gerade 60 Jahre alt gewordenen Holländer einmal live erlebt hat, in den Bann seiner ungeheuren Bühnenpräsenz geraten ist, der wird ihn wiedersehen wollen. Diese Präsenz, diese Herman-Aura, ist in den Jahren eher noch gewachsen - und sie macht sehnsüchtig.
Hut ab", so der Titel von Album und Tournee, bescherte den 900 Besuchern (nicht ganz ausverkauft) sozusagen ein Deja-vu mit vielen neuen (Un-)Bekannten. Van Veen stützte das Programm auf viele neue Songs, durchweg großartiges Material, vielleicht ein wenig getragener und bilanzierender (hat es mit der magischen sechsten Null zu tun?), dabei typisch van Veen. Gerade einmal eine Handvoll seiner großen Lieder wollte er spielen - "Ich lieb' dich noch" darunter, später als Zugaben "Ich hab' ein zärtliches Gefühl", "Anne" und sein erstes deutsches Lied von 1965, "Alles was ich hab'".
Er sang von der Mutter ("Sie hatte was Gefährliches, was von einem Engel, was von einem Teufelsweib. Ich den Augen meiner Mutter war immer ein Leuchten"), erzählte von dem liebenden Vater, von der eigenen Kindheit, melancholisch, liebenswürdig, besinnend. Und wer kann Liebeslieder singen wie er? Keiner. Er sang und erzählte von den Kindern, sie sind seine große Liebe, von den vergessenen Kindern in Afrika, von jungen Frauen im Krieg. Er ließ seine Comicfigur Alfred J. Kwak erklären, "Warum bin ich so fröhlich?" Und van Veen wäre nicht van Veen, wenn er nicht - eben noch Musikclown, Narr oder Slapstickkomödiant, unverhofft ins ernste Fach wechselte, politisch Tacheles redete ("Der neue Papst ist 78, machen wir uns also keine Sorgen"). Schweigen und Wegsehen ist nicht Hermans Sache, und sein Publikum erwartet ein deutliches Wort. Das ist ihm Anliegen, Herzenssache, keine Plattitüde.
An seiner Seite hatte der Holländer seinen alten Weggefährten (43 Jahre schon!) Erik van der Wurff (Piano), die herausragende Gitarristin Edith Leerkes (auch Gesang), Mitglied des weltweit geachteten Amsterdam Gitaar Trio, Jannemien Cnossen (Geige und Gesang) sowie Wieke Garcia (Percussion, Harfe und Gesang) - ein rein akustisches Quartett, das durch van Veens instrumentelle Vielfalt immer wieder Ergänzung fand. Eine sichere Band, eine sichere Bank. Auch Platz für wortlose Musik war im Programm, die mal meditative Fernost-, mal temperamentvolle Latinostimmung versprüht.
Überhaupt die Poesie, die Bilder: Pingpongbälle regnen von der Decke, verteilen sich auf der Bühne, das alte Vorlesebuch staubt beim Zuschlagen, ein Küchentisch wird zum Percussionsinstrument, bei jedem Schlag springen Erbsen, van Veen trägt sechs Hüte übereinander oder schwenkt die deutsche und niederländische Fahne… Ein Konzert von Herman van Veen, diesem multivisuellen Geschichtenerzähler, ist immer auch Theater - und der 60-Jährige der kleine Junge geblieben.