Herman van Veen
SH am Sonntag
Fliegen
16 mei 2010

Ein Vorderrad, zwei Stühle Plastikflaschen. Flatternde Zeitschriften, zerrissene Kleidungsstücke, verkohlte Fetzen, verbogener Stahl Scherben, ein Schulheft, Zeichnungen von Giraffen. All das sehen wir auf dem Bildschirm.

Bis ins kleinste Detail. Wir sehen das, was übrigblieb nach dem Absturz eines Flugzeugs auf dem Flughafen vonTripolis in Libyen.
Mehr als 100 Menschen fanden denTod.
Ein Unfall, dessen Ursache heute noch nicht bekannt ist. Ein Junge, Rüben, überlebte den Aufprall.
Er liegt in einem Krankenhaus. Man spricht von einem Wunder. All das sehen wir. Den Schlauch in seinem Mund, die Nadel in seinem Arm, seine halbgeschlossen Augen. Männer sprechen in ungefährem Englisch über den Hergang und darüber, was zu tun ist. All das sehen wir. Den Schock auf den Gesichtern der Hinterbliebenen, die murmelnden Obrigkeiten, die professionellen Berichterstatter. Ein Bürgermeister kann seineTränen nicht zurückhalten. Ein Moderator von CNN steht in einer Straße in Tilburg und deutet auf eine Haustür, hinter der eine Familie nie mehr wohnen wird.
ich, der in einem Flugzeug immer Angst hat, schaut mit weißen Handknöcheln auf die Bilder.
Natürlich ist Fliegen prozentual viel sicherer als Auto- oder Zugfahren.
Aber dasWissen darum, bringt diese Opfer dennoch nie mehrzurück.
Was bleibt, ist, für ihren Frieden zu beten und mit den Hinterbliebenen mitzufühlen.
Und aufhören, zu glauben, dass uns so etwas niemals passieren kann.

Check, Check, Doppelcheck.



Herman van Veen (65) ist niederländischer Musiker, Entertainer und Unicef-Botschafter.
Seine Sonntags-Gedanken schreibt er exklusiv für Schleswig-Holstein am Sonntag.