Sächsische Zeitung
Birgit Grimm
Und es regnet, regnet, regnet ... 12 april 2010

Herman van Veen erzählte und sang an zwei Abenden im Dresdner Kulturpalast. von den 65 schönsten Jahren seines Lebens.


Von Birgit Grimm


Eine rote Nase braucht dieser Clown nicht. Ihm genügen ein weißes Hemd und eine schwarze Hose, ein weißer Schuh am linken Fuß, ein schwarzer am rechten. Oder ist es umgekehrt? Nach der Pause auf jeden Fall.

Als er Punkt 20 Uhr am Freitagabend die Bühne des Dresdner Kulturpalastes betritt, klatschen die Leute euphorisch. „Wir freuen uns auch", sagt er lässig. „Das nächste Lied heißt Amsterdam, und dafür brauchen wir Regen." Den kriegt er vom Publikum, da steht er noch keine drei Minuten auf der Bühne. Auch Gewitter und Sonnenschein spielen die Leute im Saal, als wären sie deswegen gekommen und hätten nur dafür eine Eintrittskarte gekauft. Es regnet noch mehrfach an diesem Abend. Herman van Veen wird später die Witzbolde sanft tadelnd anschauen, die unbedingt an unpassender Stelle mitspielen müssen. Und als der ganze Saal Regen versteht, wo Rehe gemeint sind, fragt der Entertainer völlig entsetzt: „Was tun Sie? Sind Sie kollektiv wahnsinnig geworden?"


Er reitet auf dem Bass


Herman van Veen ist in dem einen Augenblick weise und im nächsten schon albern. In einer Minute todernst und in der nächsten urkomisch. Eben noch respektvoll, aber dann sofort dreist. Mal trägt er eine lächerliche Unterhose auf dem Kopf, und seine Hose steht offen. Er lässt weiße Tennisbälle regnen und reitet auf dem Bass, in dem eben noch seine Geige wohnte. Er sucht nach Johnny - und findet ihn in der Colaflasche: „Als ich las, wie schädlich Alkohol ist, habe ich sofort aufgehört zu lesen", kalauert van Veen. Und lallt mit einem albernen Nudelsieb auf dem Kopf: „Warum bin ich so fröhlich?"


Afghanistan und Vietnam


Doch irgendwann ist er auch ernst. Singt ein Lied über die Immigranten, die in Köln-Ehrenfeld leben. Und er spricht darüber, dass Rinder den Erwachsenen vor allem vertrauen können sollten. Voller Stolz interpretiert er ein Stück, das seine jüngste Tochter Anne geschrieben hat. Ausklingen lässt er es, indem er ein paar Takte jenes Liedes pfeift, das er schrieb, als Anne vor 27 Jahren geboren wurde.

Der holländische Entertainer ist im März 65 geworden. Das, worüber er deftige Zoten reißt und ge-fühlvolle Lieder singt, dazu Geige, Bass, Gitarre spielt und über die Bühne tänzelt, als wäre er gerade einem Jungbrunnen entstiegen, ist das Altwerden im Allgemeinen. Im Besonderen sind es die bisher 65 schönsten Jahre seines Lebens, die er vor dem Publikum ausbreitet. Die meiste Zeit, 45 Jahre, ist er mit dem Pianisten Erik van der Wurff herumgehüpft, wie er es nennt: „Unseren ersten Hüpfer machten wir, als Afghanistan noch Vietnam hieß. Damals konnte ich es auf meinem Schädel noch nicht schneien hören", erinnert er sich. Aber: „So schön es früher war, ist es früher nie gewesen", behauptet er und singt das Lied vom Vergessen noch ein zweites Mal.

Am Ende lässt Herman van Veen weiße Tennisbälle auf die Bühne und auf seine vier wunderbaren Wegbegleiter rote Rosenblätter regnen. Eins davon klebt er sich dann doch noch an die Nase.