mö schreef 8 februari 1999 in de Hildesheimer Allgemeinen Zeitung

Zuviel Glück braucht etwas Traurigkeit

Musikant und Komödiant: Für Allrounder Herman van Veen liegen Spaß und Ernst eng beieinander



HILDESHEIM. Er ist eben doch alles zusammen: Poet und Harlekin, Melancholiker und Mahner, Lästerzunge und Spaßvogel, Gentleman und - trotz seiner bald 54 Lebensjahre - ein unverbesserlicher Lausbub. Er fiedelt und verkleidet sich, kann zärtlich singen oder tolle Geschichten erzählen und ebenso gut grölen, um noch den letzten Träumer, der er selber bisweilen sein will, aus dem Schlaf zu wecken.
Eingeladen von der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung sowie vom Verein für Kunst und Kultur, gastierte Herman van Veen in der Sporthalle, Pappelallee, vor jubelnden Zuhörern, die ihm nach seinem fast dreistündigen Programm ,,nachbar'' keine Ruhe ließen. Wieder und wieder mußte er auf die Bühne, scherzen und musizieren und erzählen und singen. "Worauf warten wir?" hatte van Veen 1981 einen Band mit Liedern und Geschichten genannt. Noch immer wartet er darauf, daß es gerecht zugeht auf dem Erdball, der inzwischen zusammengeschrumpft ist und alle zu digitalen Hausgenossen gemacht hat. "Du, ich und der Hofnarr singen leise für den Frieden" , hatte Hermann van Veen damals auf der letzten Seite seines Buches notiert.

Es gilt nach wie vor. Pure Mitmenschlichkeit ist oft nur ein Narrengeschäft auf dieser Welt.
Van Veen flachst zwanglos herum und wird sofort wieder sehr ernst. Dann spricht er vom Sterben, von Luftverschmutzung, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit. Auch von traurigen Geschöpfen wie dem Clown, der die aberwitzigsten Kunststücke vollbringt, aber nicht lesen kann.
Wenn van Veen im Diskant das Bach-Lied "Gib dich zufrieden und sei stille" singt, wird der Jux im selben Augenblick zur Meditation. Völlig anders, sobald er große Oper anstimmt und auf dem Arien-Parcours flaniert. Da ist er ganz Parodist, läßt alle Figuren in einer zwechfellerschütternden " One Man Show " mit fesselnder Stimmkraft endlos dahinsiechen oder wehklagen: Den Koloratursopran (,,Er hat mich erstochen''), den Tenor ("O weh, ich habe sie erstochen''), sogar noch den ganzen Chor (,,Ja, er hat sie etc."). Fast durchweg begleiten den Komödianten fünf ausgezeichnete Instrumentalisten, zu deren Klängen van Veen Zaubertricks verulkt, kokett auf Stöckelschuhen tänzelt und vom werdenden "Busen" singt. Zwischendurch treibt er seinen Spaß mit dem Ortsnamen ("Heim in Hildes"), verteilt Seitenhiebe auf Papst und Katholiken, dirigiert das Klatschen der Zuschauer und schreckt auch vor ordinären Vokabeln nicht zurück.
Mit dem Säbel dreinzuschlagen ist van Veens Sache nicht. Seine Spitzen sind sanfte Florettstiche, und sein Humor trägt einen zweiten Namen: Weisheit. Der niederländische Allrounder erweist sich als Künstler des leisen Lebensschmerzes, der sich illusionslos gibt, um im nächsten Moment schon wieder Illusionen und Träume zu schüren, ohne die kein Mensch existieren kann. Bei van Veen ist das kein Widerspruch. Wenn das Glück zuviel wird, sehnt er sich nach etwas Traurigkeit. Auch das Leben hält nun einmal beides aus: Leichtes ebenso wie Schweres. Frage: "Lieben Sie sich?" Antwort: "Ja, aber es ist nicht gegenseitig."

Manchmal ist der Pessimist doch der bessere Optimist.



Hildesheimer Allgemeinen Zeitung - 08.02.1999 - geschrieben von mö -







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