Britta Bingmann schrieb am 07.05.2005 WAZ Wuppertal ( AUS DEM WESTEN / MANTEL)


Seine fröhlichen Späße sind seltener geworden




Herman van Veen setzt im neuen Programm "Hut ab!" vor allem auf musikalische Vielseitigkeit


Wuppertal. "Mein Publikum", klagt Herman van Veen, "hat sich in den letzten drei Jahrzehnten sehr verändert: 40 Prozent sind schon gestorben." Nun denn: 60 Prozent sind übrig. Und die hören dem Holländer offenbar immer noch gerne zu.

Ganze drei Jahre lang hatte der Liedermacher nicht mehr in Deutschland auf der Bühne gestanden. Mit seinem neuen Programm "Hut ab!" meldete er sich am Mittwoch in der (ausverkauften) Historischen Stadthalle in Wuppertal zurück, seit gestern Abend ist er im Dortmunder Konzerthaus zu Gast.

60 Jahre alt ist er im März geworden. An Ruhestand denkt er nicht: "Ich höre auf, wenn ich tot bin", sagt er. Aber auch: "Wenn ich aufhöre, bin ich tot." Soweit ist es (hoffentlich) noch lange nicht: Seine neue Show jedenfalls strotzt wie eh und je vor Energie, vor Leben, vor Kraft.

Zugegeben: Ruhiger ist er schon geworden. Er sitzt am Tisch, trägt vor, liest vor. Er kokettiert mit einem Alter, fasst sich beim flotten Stepp stöhnend ans Kreuz. "Mein einziges Problem ist das Auswendiglernen", klagt er augenzwinkernd, schaut lange konzentriert in das Textbuch - das er falsch herum in den Händen hält. Ja, er ist ein Clown, immer noch: Er macht seine Späße, aber sie sind seltener geworden, seine Kritik dagegen schärfer.

Er bringt die Menschen zum Lachen, aber mehr noch zum Weinen. "Bevor du es merkst, ist das Kind schon groß", singt er in seinem Lied über "Die Väter" und fügt beiläufig hinzu: "Die afrikanische Version lautet übrigens: . . .ist das Kind schon tot."

Requisiten kommen kaum noch zum Einsatz. Van Veen weiß das Publikum allein mit seinen Texten, seiner Stimme, seiner Präsenz in den Bann zu ziehen. Stattdessen setzt er mehr denn je auf die musikalische Vielseitigkeit seiner drei Musikerinnen. Vor allem Edith Leerkes ist wahrlich mehr als schmückende Begleitung im Hintergrund: Unglaublich, welche Töne sie der Gitarre entlockt - es scheint, als spiele sie mit fünf Händen. Und am Flügel sitzt,wie eh und je:Erik van der Wurff, der Kauz, der komische.


Erst nach dreieinhalb Stunden schloss sich der Premierenvorhang zum letzten Mal. Das Publikum schien noch sehr lebendig. Aber todmüde.