Bastian Strauch schrieb am 05.11.2005 im Mannheimer Morgen


Viele Faxen und immer noch nicht erwachsen


CHANSON: Der holländische Grand-Seigneur Herman van Veen gastiert im ausverkauften Mannheimer Rosengarten


In der Brust von Herman van Veen schlagen keine zwei Herzen, sondern es stecken zwei Fahnen in ihr. So sieht es zumindest aus, wenn er auf der Bühne des Rosengartens seinen Busen heroisch zu "We Are The Champions"" hebt und sich rechts eine niederländische und links eine deutsche Flagge - beide riesenhaft - unter die Achseln schiebt. Das Bild, das er dabei bietet, zeigt natürlich weniger einen doppelten Patrioten als einen doppelt Erdolchten. Typisch van Veen eben, denn mit Vaterlandsstolz oder ähnlichem Klimbim hatte der transnationale Chansonier schließlich nie etwas an einem seiner vielen Hüte. Dementsprechend prangert der 60-jährigeGrand-Seigneur auch immer noch in harlekinhafter und politisch stets korrekter Weise an, was jeder schon weiß: Dass Krieg eine schlimme Sache ist oder dass 100 000 campende Holländer kein repräsentatives Bild seiner Landsleute abgeben. Klar, dass so etwas von Künstlern mit moralischem Anspruch nach wie vor thematisiert werden darf - nur leider ist der Form der Van-Veen-Pöesie ihr Alter anzumerken. Was in den 70ern noch wie ein echter Protestsong klang, wirkt heute nur noch wie die Klauen eines Papiertigers.

Musikalisch hingegen schlagen in van Veen so viele verschiedene Herzen, dass seine Kompositionen ewig frisch bleiben. Mit seinen fünf hervorragenden Musikern schickt er die 2000 Fans auf eine halbe folkloristische Weltreise. Von Klezmer und Balkanklängen über französischen Chanson und irischein Folk bis hin zu Flamenco und Tango deckt er in seinem zweistündigen Konzert die gesamte volkstümliche Musikgeschichte Europas ab. Begleitet wird van Veen immer noch von seinem langjährigen Wegbegleiter Erik van der Wurff, mit dem er schon seit über 40 Jahren auf der Bühne steht.

Besonders hervorstechend in van Veens fünfköpfigen Ensemble ist Wieke Garcia, die das Konzert als zurückhaltende Percussionistin auf einem Cajon beginnt, sich aber während des Konzerts als sichere Multiinstrumentalistin und großartige Sängerin entpuppt. Nicht nur ihr, sondern auch dem Rest der Truppe gibt van Veen in großväterlicher Manier viel Platz zur musikalischen Entfaltung, so dass jeder auch ein eigenes Stück vorstellen und singen darf. Von van Veens Kompositionen gibt es ein reichhaltiges Potpourri aus seinen mittlerweile unzählbaren Alben und seiner neuesten Scheibe "Hut Ab" zu hören. Nicht fehlen darf dabei der Song, den er in seiner Laufbahn am meisten hat spielen müssen. Um "Warum bin ich so fröhlich" auch immer noch fröhlich - statt überdrüssig - vortragen zu können, verwandelte er die Nummer in eine swingende Bluegrass-Version.

Fehlen dürfen bei einem Konzert von van Veen außerdem nicht die reichlichen Faxen des ewigen Lümmels. Höhepunkt der Showeinlagen bleibt zweifellos seine Rammstein-Persiflage, die er mit dem abgehackt gesprochenen Refrain seines Hits "Ich hab ein zärtliches Gefühl" beginnt, um dann eine Konzert-Gitarre bis zur Schmerzgrenze zu verzerren und sich schließlich mit ihr auf dem Boden zu wälzen. Selbst die rätselhafte Seite eines Harlekins weiß der Niederländer noch in Szene zu setzen. Einen präparierten Kontrabass mit dem er einst seine Geige geschmuggelt habe - hat er nur auf der Bühne stehen, um sich einmal auf ihn drauf zu setzen.