Heide Lang schreef 4 februari 2006 in Sonnabend, Leipzig
Nicht so viel zärtliches Gefühl: Herman van Veen in Leipzig
Er ist schon ein klasse Typ, der Herman. Singen kann er, rau und männlich, zart und liebevoll, laut und leise.
Spielen kann er, Klavier und Geige, Trommel und Gitarre, den Clown und den Witze-Erzähler. Und nachdenken kann er, über die
Liebe und das Leben, und über eine Welt, in der vieles im Argen ist.
Und Herman van Veen kann das alles nicht nur, er tut es auch. Am Donnerstag und Freitag gastspielte der 60-Jährige vor
zahlreichen Fans in der Leipziger Oper. Mit dabei: exzellente Musiker wie sein alter Spezie Erik van der der Wurff am
Klavier, mit dem er seit 40 Jahren -"damals gehörte Leipzig noch zu Holland" - durch die Lande zieht, die wunderbare
Gitarristin Edith Leerkes, Geigerin Jannemien Cnossen und Cellist Karel Bredenhorst.
Die Bühne ist schlicht, vom Pomp hat er sich schon vor ein paar Jahren verabschiedet, wenig Lichteffekte, nur ein paar
schwarze Hüte - die Tour heißt
"Hut ab!" - aus denen er, übermütig wie ein kleiner Junge, unzählige Ping-Pong Bälle auf die Bühne springen lässt.
Und zwei weiße Luftballons, die irgendwann an die Decke schweben. Er erzählt von seiner Geige, die aus dem Osten kommt
und die er, damals, "in Karl Marx Stadt,
Leipzig und Berlin gegen ein paar Lieder" getauscht hat und in einem Kontra-bass versteckt nach Holland brachte. Von seinem
Enkel berichtet er, von nächtlichen Sauf-Touren mit Polizei-Beteiligung, von seiner Frau, aus seiner Jugend. Er spielt
kleine Szenen, in denen er mal als überkandidelter Klaviervirtuose glänzt, über Fußball und deutsch-niederländische
Befindlichkeiten sinniert,
um im Anschluss mal mit der holländischen, dann mit der deutschen Flagge über die Bühne zu rennen, oder sich unerschrocken
kalauernd unter der Gürtellinie bewegt. Und damit manchem Zuschauer Bauchschmerzen bereitet. Vor Lachen.
Das Wichtigste ist aber, klar, seine Musik, diese einzigartige Mischung aus Pop, Rock, Folk, Chanson. Anrührend ist das Lied
über seinen verstorbenen Vater, ein wenig zu pathetisch das über seine tote Mutter. Bei "Als ich noch ein Junge war" kokettiert
er kurz mit seiner Jugendzeit, stellt die Frage "Hast du deine Hausaufgaben gemacht?" aber plötzlich der jungen US-Soldatin, die
im Irak-Krieg verwundet wurde und auf einer Bahre liegend nach Hause kommt. Da bleibt dem geneigten Zuhörer das Lachen im Halse
stecken. Ebenso, wenn er
"vom Kind in deinen Armen" singt, dass, "eh du dich's versiehst" groß ist. Und vom Kind in Afrika, dass "eh du dich's versiehst,
tot ist". Genau das ist es, was der Clown, Entertainer, Liedermacher, Poet, Träumer und Weltverbesserer van Veen so wunderbar
beherrscht: sein Publikum, manchmal in Sekunden, vom übermütigen Lachen zum Weinen zu bringen und ihre Körper mit einer
kollektiven Gänsehaut zu überziehen.
Wo er früher bei "Kleiner Fratz" oder "Zärtlichem Gefühl" - das er in Leipzig in einer wilden Rammstein-Rock-Version spielt -
ehrliche Emotion vorherrschte, lässt er den dunklen Gedanken heute mehr Raum, wird manchmal fast bitter und schwingt - selten
nur, zum Glück -den moralischen Gutmenschen-Zeige-finger. In einigen Momenten blitzt da aber eine Selbstironie auf, die umwerfend ist.
Wirklich klasse, der Herman.
Heide Lang