CLAUS DRECKMANN schreef in week 11 van 2005 in Bunte (D)
Liebe? Ist oft nur ein winziger Moment
HERMAN VAN YEEN kämpft als Sänger und Poet
gegen Armut und Ungerechtigkeit. Nun
wird er 60. Auch das kann ihn nicht stoppen..
Die Rolle des Hofnarren mit Geige und groteskem Kostüm übernimmt Herman van Veen gern. Denn wer dem Charme des Clowns erliegt,
ist bald auch seiner Mission verfallen: dem Kampf gegen Armut und für die Rechte der Kinder. Mit entwaffnend romantischen Liedern, kokett
gepflegtem Akzent und großen, staunenden Kinderaugen trägt der Holländer sein Anliegen vor. Aufbislang rund 140 LPs und CDs beschwört
der Botschafter des Kinderhillswerks UNICEF und vierfache Vater die Kraft der Liebe ("Ich hab' ein zärtliches Gefühl ...") und wirbt für
die Unterstützung seiner Hilfsprojekte und Kinderstiftungen. In BUNTE sagt Herman van Veen, warum er mit 60 Jahren noch an das Gute
glaubt und welche Rolle die Liebe in seinem Leben spielt.
Herr van Veen, die Tsunami-Katastrophe in Asien hat mehr als 200 000 Menschen getötet, darunter viele Kinder. Lässt Sie das nicht an
der Größe Ihrer Mission zweifeln?
Es war eine enorme Katastrophe. Aber es war fantastisch zu sehen, was für eine Kollektivität entstand. Wie die Leute in die Geldbörsen
griffen, um Gutes zu tun. Ich habe darüber nachgedacht und meine: Wenn wir uns mit etwas identifizieren, sind wir in der Lage, enorm viel
zu tun. Wir müssen also einen Weg suchen, dass wir auch die vielen Millionen Kinder sehen, die noch unsichtbar leiden.
Verlieren Sie nie die Hoffnung?
Apathie hilft niemandem. Und schon für eine einzelne Person macht es einen enormen Unterschied, wenn du
ihr aus der Not hilfst.
Woher kommt Ihre Motivation zu helfen? Aus der Erinnerung.
Es hätte mich nicht gegeben, wenn uns nach dem Zweiten Weltkrieg Kanadier
nicht gerettet und wenn es in den Care-Paketen keinen Zucker oder keine Milch gegeben hätte. Für mich ist das logisch: Ich verdanke mein
Leben fremder Hilfe. Davon erzähle ich - darum helfe ich anderen.
Ihre Lieder handeln von der Liebe und immer wieder von Kindern. Warum?
Ich finde, Kinder zu haben, ein unkontrollier-
bares Wunder. Es ist faszinierend schön, chaotisch und spannend und das Einzige in meinem Leben, was ich nicht unter Kontrolle habe.
Wenn du "links" sagst, musst du fast damit rechnen, dass sie nach rechts gehen. Ich finde es fantastisch, dass meine Töchter
Schauspielerinnen und Sängerinnen geworden sind. Und dann denke ich mich schief über meinen Sohn, der in einer Bank arbeitet...
Wie eng ist das Verhältnis zu Ihren Kindern?
Sehr. Ich war immer reisender Papa. Aber das war für die Kinder normal. Sie waren ganz durcheinander, wenn ich zu lange daheim blieb.
Was ist für Sie Liebe?
Liebe ist eine Bewegung, eine Hand, ein winziger Moment, wenn jemand sich freut, dich wiederzusehen. Wenn
dein Kind die Augen aufmacht und dich ansieht und du strömst über voll Wärme, weil es so unbeschreiblich schön ist. Das ist Liebe.
Was ist, wenn die Liebe schwindet?
Wie war es für Sie, als Sie sich von Ihrer Frau Marlous Fluitsma nach über 20 Jahren trennten?
Liebe verschwindet nicht. Ich habe sie nicht verlassen und sie hat mich nicht verlassen. Unsere Wege sind anders verlaufen, als
wir gehofft hatten. Das hat damit zu tun, dass wir uns selbst nicht genug kannten.
Was ist passiert?
Wenn du nicht leben kannst, wie du bist, oder nicht sagen kannst, was du willst, kriegst du plötzlich Angst. In manchen Situationen
hatte ich Anest zu erklären, wie schön ich meinen
Beruf fand. Was bedeutete: Ich bin oft weg. Und ich wollte eigentlich nicht weg, weil ich sie so wahnsinnig lieb hatte. Erst dachte
ich, Angst ist etwas Negatives. Dann habe ich gelernt: Sie warnt dich vor etwas. Sie ist ein Signal dafür, dass etwas nicht richtig
ist. Das Loslassen war ein schmerzvoller Prozess.
Was bedeutete das für die Familie?
Wir haben als Mama und Papa eine kollektive Verantwortung für die Kinder. Deshalb
beschlossen wir,
anders als andere auseinander zu gehen: Wir wohnen keine 300 Meter entfernt und haben einen Weg gefunden, beieinander auseinander
zu sein. Dafür verdienen wir beide, glaube ich, ein Kompliment.
Am 14. März werden Sie 60. Merken Sie das Alter?
Ich
bin einen Zentimeter
kürzer geworden. Bei der letzten Pass-kontrolle wusste ich: Hey, da fehlt ein Zentimeter. Und wie alt fühlen Sie sich? Ich fühle mich wie
ein Kind mit viel Erfahrung.
Was haben Sie erfahren?
Früher dachte ich, ein KUSS ist ein Versprechen. Heute weiß ich,
dass ein
KUSS ein KUSS ist.
Kann ein Mann wie Herman van Veen je in Rente gehen?
Das wird nie passieren. Ich versuche öfter Nein
zu sagen.
Aber das ist hypothetisch. Ich muss immer etwas tun, sonst werde ich krank. Oft sagen Freunde: "Herman, schlag bitte nichts vor und
hab keine Ideen."
Sie können nicht stillstehen? Nein.
Es gibt ein Lied von mir, das heißt:
"Schnell weg da, weg da, weg". Es entstand, weil ich als Kind immer nur gerannt bin, meist grundlos. Auch heute habe ich oft keine
Ahnung, in welche Richtung es gehen soll. Das Einzige, was ich weiß, ist, wohin ich nicht gehen will.
CLAUS DRECKMANN