STUTTGARTER ZEITUHG
Kat Holoch

Ein rastloser Romantiker

23. Februar 1989

Herman van Veen begeistert in der Liederhalle

Beurteilt man ihn nach der im Genre üblichen Zugabeh-Orgie, dann ist er ein Liedermacher. Sicherlich ist das eine Facette des Künstlers Herman van Veen. Gerecht wird man dem Holländer, der am Dienstag und Mittwoch sein Publikum in der ausverkauften Liederhalle verzaubert hat, mit solch einseitiger Kategorisierung sicher nicht. Herman van Veen ist tanzender Harlekin, Clown, sensibler Poet, in sich versunkener Träumer, Lebenskraft und Lebensfreude ausstrahlender Sänger, Schauspieler, melancholischer Pantomime, Musiker, ein rastloser Romantiker.



Seine Auftritte sprengen bei weitem den Rahmen, den man mit dem Wort „Konzert“ zu stek-ken versucht. Er inszeniert vielmehr seinen Traum vom Leben. Dabei läßt er weder die dunklen noch die schönen Seiten aus. Da huschen Wölfe und Vampire wie aus einem Alptraum über die Bühne. Da kämpft der Künstler gegen seine eigenen Ängste und Sorgen und besiegt sie, indem er ins Land der Phantasie flüchtet. Den Bezug zur Realität verliert er allerdings nie. Herman van Veen ist kein Traumtänzer, vielmehr ein Mensch, der sein breites künstlerisches Spektrum nutzt, um wachzurütteln.

Vordergründig plakativ wirkt das nie. Wie die Musik seiner drei Begleitmusiker schmeicheln sich seine Worte in die Ge-hörgänge, um dort nachhaltig hängen zu bleiben. Aus Hans-Jürgen Büchners betörender Ballade „Bleib“ macht er die nicht minder sensible Geschichte der jungen Prostituierten, die Geld nimmt und Liebe sucht. Wesentlich sarkastischer springt van Veen mit der amerikanischen Oberflächlichkeit um: „Germany? Das ist eine der schönsten Städte der Welt.“ Und: da mag der Wald sterben und die Welt vor die Hunde gehen - don’t worry, be happy.

Tabus scheinen ihn magisch anzuziehen. Er inszeniert seinen eigenen Tod und versucht dem Ereignis eine positive Seite abzugewinnen. Sterben sei in der heutigen Welt so banal, grob und frustrierend. Für den Holländer wird die eigene Beerdigung zum Fest. „Herman stirbt, kommst du auch?“ lautet die Frage des Harlekins, bevor er zärtlich umarmt vom Sensenmann im Sarg verschwindet.

Wer den Sänger Herman van Veen nur von Platten kennt, hält manche seiner Lieder für reichlich pathetisch. Bei seinen Konzertauftritten auf der Bühne schafft der Mittvierziger ein atemberaubendes und mitreißendes Gesamtkunstwerk, in dem Menschenliebe und Hoffnung, ja sogar ein zart keiniender Optimismus eine eindrucksvolle Bindung eingehen.



Kai Holoch