Hamburger Abendblatt
WERNER SILLESCU

Neues Kunstmagazin "Harlekijn" jetzt aut dem Markt

"Unter dem Deckmantel Kunst kann man alles verkaufen"

31 mei 1980

"Daß die Kunst so von dem Menschen, der dahinter steht, abgekappt wird - das finde ich nicht gut. Kunst und Künstler sind eine Einheit, and diesen Bezug wollen wir in unserer Zeitschrift deutlich machen." Dies sagt Alois Kurzmann (29), Chefredakteur einer ungewöhnlichen Kunstzeitschrift. die jetzt auf dem Markt ist: "Harlekijn".


"Harlekijn" ist zunächst einmal das multimediale Unternehmen, das der holländische Allround-Künstler Herman van Veen vor gut zehn Jahren gründete, um die Flut seiner Ideen und Aktivitäten zu organisieren. "Harlekijn" macht Funk- und Fernseh-Produktionen. Schallplatten, verlegt Lieder, organisiert Tourneen, verwertet Urheberrechte - und gibt in Holland schon lange eine Kunst-Zeltschrift heraus.

Und nun auch in Deutschland. Konzipiert, geschrieben und produziert wird sie höchst un- professionell von einem kleinen Team in einer großen Wohnung an der SieriehStraße 68, dem Sitz der "Harlekijn"-Vertretung in der Bundesrepublik.

"Das Unprofessionelle gehört mit zum Konzept", sagt Alois Kurzmann, der sich Schriftsteller nennt und aus Graz stammt, dem Literaten-Zentrum.
"Den Kunst-Kult finde ich furchtbar", sagt er weiter. "Unter dem Deckmantel Kunst kann man alles verkaufen, auch den größten Mist, und das stößt mir furchtbar auf."

Es ist der Herman van Veen, der da hervorschaut, wenn Kurzmann feststellt: "Man muß den Leuten die Scheu, die Angst, das Schamgefühl vor der Kunst nehmen, indem man die dazugehörigen Menschen zeigt. Man kann die Sachen nicht allein für sich hinstellen. So ein hochgestochenes Spezialistentum für Spezialisten, das ist kein Weg, um den Leuten Kunst näherzubringen."

Obwohl Kurzmann Hamburg nur für eine "gute Geschäftsstadt" hält, "in der sich aber künstlerisch nicht viel tut", ist eine Menge Hamburg in seinem Blatt: Ein Interview mit John Neumeier, ein sehr subjektiver Vergleich der Faust-Auffassungen von Claus Peymann in Stuttgart und von Hans Hollmann in Hamburg, ein Bericht über die Wilhelmsburger-Theater-Fabrik des Augusto Boal, eine Begegnung mit dem Hamburger Dichter Christoph Derschau ... und über Gott und die Welt verbreitet sich der Hamburger Theologie-Professor Helmut Thielicke im Rahmen eines Schwerpunkt-Themas "Mein Gott, was hat man aus Dir gemacht?".

Kurzmann: "Wir wollen Grundsatz-Fragen behandeln, mit denen sich jeder Mensch befaßt. Auch die Künstler werden in unseren Interviews gebeten, zu Lebensfragen wie Tod, Krieg, Liebe, Gefühle Stellung zu beziehen ..."
Themen, mit denen sich auch van Veen in seinen Texten immer wieder beschäftigt.

"Aber wir sind kein van-Veen-Fan-Blatt!"



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