Rhein Neckar Zeitung
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Ein Clown, ein Harlekin

Hermann van Veen in der Stadthalle Heidelberg

31 mrt 1982

Hermann van Veen war in Heidelberg: Holländer, Chansonnier, "Liedermacher", Multitalent, Alleinunterhalter. Am Samstagabend gastierte Hermann van Veen in der Stadthalle Heidelberg.


Ein schwarzer Vorhang teilt sich, und auf einer äußerst kargen Bühne, die im wesentlichen nur von einer großen Leuchtkugel, einer Art Lampion (dessen Farbe ständig wechselt), erleuchtet ist, taucht zunächst ein Pianist auf, der wie absichtslos einige Takte preludiert, und dann erscheint auch schon die Hauptperson: ein großer, langer, schlaksiger Kerl in weißem Hemd und weißer Hose, mit hagerem Gesicht und einer recht aus' ansetzt, zögernd zunächst, sich vortastend, in Pausen immer wieder umherspringend und -tänzelnd, und wie er dann mit einem Male sich zu einem ekstatischen, pathetischen Ausbruch aufschwingt, den er aber sofort wieder zurücknimmt, zurückzuckend, wie erschrocken über die eigene Kühnheit, sieht man sich ganz widersprüchlichen Empfindungen ausgesetzt.

Man betrachtet ihn, das hagere, knochige, alle möglichen Stimmungen ausdrückende Gesicht - und fühlt sich unwillkürlich an einen Clown erinnert, einen Harlekin. So hat er sich auch selbst schon bezeichnet - mal lustig, mal ernst und besinnlich, doch immer von eigentümlicher gedehnten Glatze, die von blondem Locken- Melancholie umwittert; das schrecklich aus haar umstanden wird. Er mag Mitte dreißig sein. Verhalten, fast leise, mit sanfter und etwas heiserer Stimme beginnt er ein Lied - doch zunächst hebt er wie beschwörend beide Arme, mit weit ausholender Geste -, als wolle er zunächst Stille schaffen, Aufmerksamkeit, ja Andacht erzwingen für das, was er zu sagen hat. Und macht gleich darauf einige graziöse und groteske Sprünge, voll übermütiger Laune, als wolle er das Ganze sogleich wieder in Frage stellen... Wenn man ihn sieht, wie er seinen Vortrag gelaugte Klischee stimmt hier ausnahmsweise.

Ein Clown, der ernste Dinge singt. Seine Texte sind eine Welt für sich: Alltagsgeschichten, scheinbar Banales - etwa das Elend, das menschlichen Beziehungen so oft anhaftet. Er findet dafür süß-melancholische, doch auch düstere, sarkastische Büder: Die Tochter trifft nach einer Entziehungskur in der Klinik zu Hause ein, "und Vater nickt zerstreut: ja, ja, mein Kleines, alles klar, die Sportschau ist gleich zu Ende..." - eine winzige Beobachtung, die mehr sagt als eine ganze soziologische Analyse. Daneben gibt es Reflexionen über das Alleinsein, über Gewalt, Krieg, politische Unterdrückung und Ungerechtigkeit, über den Tod. Das alles ist nie plakative Anklage, sondern stets distanziert, ironisch gebrochen. Kein Zweifel - Hermann van Veen ist ein Moralist. Ein Moralist in der Maske des Clowns, ein Narr, der seiner Welt den Spiegel vorhält.

Er singt nicht nur, er unterhält sich mit dem Publikum, sucht stets Kontakt, witzelt, gestikuliert, macht Faxen, liefert köstliche Parodien (auf die Manierismen des Gospelgesangs zum Beispiel) und als weitere Höhepunkte Pantomimen von einer Leichtigkeit und Heiterkeit, wie man sie vielleicht nur noch im Circus Roncalli zu sehen bekommt. Sie sind ein willkommener Ausgleich, wenn die Sache droht allzuemst zu werden.

Zum Schluß noch ein Wort über die Band: Erik van der Wurff ist ein einfühlsamer Begleiter an Piano und Orgel, Nard Reijnders spielt einige sehr melodiöse Saxophon-Soli, und Cees van der Laarse trägt mit seiner präzisen Arbeit am Baß seinen Teil zu einem jazzigen Klangbild bei; nicht zu vergessen die Leute am Mischpult, die mit einigen verblüffenden Sound-Effekten das Bühnengeschehen untermalen.
Langer, herzlicher Applaus und drei Zugaben, die einen doch eher besinnlichen Abend in befreiender Komik ausklingen lassen.

"Ein Künstler", sagte jemand neben mir. Wahrlich doch.



he.