Wetzlarer Neue Zeitung
Guntram Lenz

Hermann van Veen zeigte eine Show von internationalem Format

31 jan 1980

Gießen. Mit den "Klitschnassen Clowns" begann es: Pauke schwingend in Clowns-Manier trat der holländische Entertainer Herman van Veen am Dienstagabend auf die Bühne der fast ausverkauften Gießener Kongreßhalle und zog eine knapp dreistündige Show von wahrhaft internationalem Format ab. Er vereinigte Chansons, Satire, Tanz und Musik und auch so manch Klamottenhaftes zu einem homogenen Programm, in dem er mal als zappelnde Marionette und als Harlekin über die für seine Zwecke viel zu kleine Bühne fegte, mal sich als (über-) sensibler Mitmensch die alltägliche elementare Angst von der Seele musizierte.


"Nochmal Kind sein" hätte so mancher Teil des Programms überschrieben sein können, zeigte van Veen dem Publikum doch ganz spielerisch (und dadurch um so kunstvoller, eindringlicher, und für ihn sicherlich um so anstrengender) wie leicht es sein kann, Hemmungen und Verklemmungen los zu werden und sich ungezwungen ("unvernünftig" mögen es wohl manche Erwachsene nennen) zu bewegen.
Eine Art hemmungsloser Selbstdarstellung für die einen also, für die meisten aber eine sehr wohl akzeptable clowneske Alternative zum grauen Alltagseinerlei, fern jeder Überheblichkeit und Besserwisserei mit dem ganz groß geschriebenen Postulat der Toleranz auch gegenüber Minderheiten.

Ganz im Gegensatz zu manch anderem Konzert der Sangeskollegen van Veens, ging es dem Holländer nicht vordergründig darum, seine neueste Langspielplatte (die es dort auch nicht zu kaufen gab!) anzupreisen. Wie anders läßt es sich erklären, daß er auf den Vortrag einiger der schönsten Songs seiner "Elf-Lieder"-LP verzichtete, die jedem Chansonfreund für den Privatgenuß nur dringend empfohlen werden kann. Immerhin sang er im Konzert aber doch die Ballade von den "Mädchen aus verflog'nen Tagen", ein kleines Meisterwerk, das er im nachhinein überraschend selbst ironisierte, oder auch den Song "Nicht allein", - die Geschichte eines drogenabhängigen Mädchens -, der niemanden kalt ließ.

Daß Veen sich mit aggressivem Wortwitz auch als Meister in der Kunst des Vierzeiler- und Aphorismenschmiedens erwies ("Der Glaube versetzt keine Berge mehr, das tut nur noch das Geld") sei nur am Rande erwähnt, wie auch ein dickes Lob für van Veens Begleitband, die jeden Jux anstandslos mitmachte, nicht vergessen werden soll.

Für die, die van Veen bisheir "nur" von seinen Platten kannten, noch nie in einem seiner Konzerte waren und auch die Fernsehkinderserie "Die seltsamen Abenteuer des Herman van Veen" ignoriert oder gar belächelt haben, dürfte dieser in bestem Sinne "bunter Abend" voll hintersinniger Clownerien und absurdem Theater eine mehr al freudige Überraschung gewesen sein.

Gleichsam als Betthupferl gab es für sie (und alle anderen natürlich auch) im fast halbstundigen Zugabenteil "Ohrwürmer" wie "Ich hab' ein zärtliches Gefühl" oder "Wie durch Zufall tratst du in mein Leben" zu hören, als deren genialer Übersetzer vom Holländischen ins Deutsche sich Thomas Woitkewitsitsch bereits vor annähernd zehn Jahren erwiesen hatte, der noch immer in seinen Eindeutschungen van Veens Intentionen aufs genaueste trifft.



Guntram Lenz