Reutlinger General-Anzg.
zen

Zärtliche Gefühle fürs Publikum

Herman Van Veen begeisterte mit menschlicher Ausstrahlung

30 nov 1984

Reutlingen. (zen)

Mit seiner menschlichen Ausstrahlung, verbunden mit einem ungeheuren Reichtum an Ausdrucksmöglichkeiten, begeisterte am Mittwochabend der holländische Sänger, Komponist und Clown Herman Van Veen sein Publikum in der ausverkauften Listhafte. »Es gibt nichts Schöneres als Singen, sogar wenn ich traurig bin, und wenn ich singe, werde ich glücklich«, bekannte Van Veen zu Beginn des langen Abends, und dieses Glücksgefühl, seine Wärme und Zärtlichkeit strömte spürbar ins Publikum.



Ständig in der Veränderung seines Äußeren begriffen, mal mit Clownnase, mal mit Schirm und Melone, blieb der 39jährige Poet bei dieser Veranstaltung der Stadt Reutlingen in Verbindung mit Kreissparkasse und »Music Circus Konzertbüro« doch stets der eine Allround-Künstler, dem nur eines am Herzen liegt: der Mensch.
Mit seinem unglaublich rhythmischen Körper, seiner klaren Stimme, einer musikalischen Begleitmannschaft der absoluten Spitzenklasse und Lichteffekten von ebensolcher Güte brachte Herman seine Botschaft »rüber«.
So saß er mit Kopftuch über einen Kinderwagen gebeugt und besang die tickende Zeit, die Ek-ken rund macht und das Leben vorübertickt. Mit Admiralsmütze erklärte er mit einem Tennisball als Welt den Frieden durch ein Gleichgewicht des Schreckens, doch es knallte und blitzte, läutende Kirchenglocken und der sich senkende Vorhang schlossen das Bild ab.

Herman Van Veen sang von der Liebe, die man verliert wie einen Stock oder Schuh, ein Lied nach einem Gedicht von Erich Kästner. Als Arbeitsloser steht er im Rampenlicht der offenen Türen, die sich schließen, als er nach Arbeit fragt, um wieder ein Mensch zu werden, seinen Kindern erzählen zu können, was er den Tag über gemacht hat.
Er verzweifelt an der Ablehnung: »Ich bin doch da, das könnt ihr doch nicht machen.« Sein gesellschaftspolitisches Engagement zeigt sich nicht nur auf der Bühne, sondern auch in seinem sonstigen Leben, wo er als Goodwill-Botschafter für UNICEF unterwegs ist, oder sich in der europäischen Friedensbewegung einsetzt. Einsatz auf der Bühne auch für die »Mütter, die seit Jahren schon mit Fotos kämpfen um ihren Sohn«, gegen Folter und Unterdrückung in Südamerika oder irgendwo.
Herman Van Veen sprach und sang, und die Zuhörer hingen an seinen Lippen und Augen, fasziniert von der Ausstrahlung, hingerissen von seiner Souveränität — und Van Veen blieb lange, setzte sich zu mehreren Zugaben auf den Bühnenrand, hörte nach den Wünschen des Publikums und spielte dann zusammen mit seinem Gitarristen Chris Lockers. Er ging ins Publikum, suchte den Kontakt und wurde mit eben seiner Wärme und Herzlichkeit, ohne Starkult, empfangen.

So blieb nach über drei Stunden Konzert den Hunderten von Zuhörern seine Botschaft in Kopf und Herz, seine Botschaft an jeden, mit Beharrlichkeit gegen die Ungerechtigkeiten gegen Menschen anzukämpfen:

»Gebt jetzt ein Signal, daß ihr Schicksal uns berührt.«



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