AZ / Tagblatt
Erich Demmer

Die schönen Augen der Kühe

Vor den Konzerten in der Wiener Stadthalle trafen wir Herman van Veen zum ungewöhnlichen Interview

30.mai 1989

Auf ungewöhnliche Weise machte Herman van Veen Lust auf den Besuch seiner Konzerte im kleinen Saai der Wiener Stadthalle vor der Tribüne Ost (30. Mai bis 3. Juni, Beginn 19.30 Uhr). Das künstlerische Multitalent lud ins Hotel SAS zu einem Geplauder mit der aus der ZDF-Talkshow „live“ bekannten Moderatorin Amelie Fried, um sein neues Programm „Bis hierher und weiter“ zu präsentieren.


Das allerdings nicht stur abläuft: „Ich sehe jedes Konzert als eine Art Tagebuch. Es beginnt zwar mit dem Stand der Dinge, aber dann beginnt sich viel zu ändern. Ich reagiere auf den Raum, auf das Publikum. Ich suche mir einen Skeptiker im Zuschauerraum, den will ich überzeugen.“

Im Gespräch verkörpert er auf sympathische Weise das Urbild des lieben und guten Menschen. Sieht er sich eigentlich als letzten Idealisten? Herman van Veen: „Nein, ich bin ein realistischer Pessimist. Ich bin überzeugt, daß wir in Europa unsere Welt fast schon umgebracht haben.
Ich will Möglichkeiten hochwerfen und schauen, ob ich oder ein anderer sie auffangen und verwirklichen kann. Ich bin in der Realität fest verwurzelt. Nimm nur den Baum: Bei dem sieht man auch nur eine Hälfte, die über der Erde. Ich will über die andere Hälfte der Realität singen."

Er hantelt sich von Gedanken zu Gedanken, sinniert in seiner bilderreichen Sprache über Krebs, Ozonloch, Unvernunft, ist mit Homer einer Meinung („Kühe haben die s chönsten Augen der Welt“) und meint zum Problem der Fremdenfeindlichkeit: „Das sind Nachwehen einer vergehenden, Vor boten einer kommenden Zeit.“

Und erzählt einen Traum: „In zwanzig Jahren wird Österreich das wichtig ste Land, weil es den Osten nach Westeuropa holt. Uno Wien wird eine Stadt am Meer. So offen, so international.“

Man könnte (und kann) dem holländischen Clown-Troubadour stundenlang zuhören.

Sein Wort in Gottes Ohr.
Und seine Lieder in die unseren.



Erich Demmer