Lübecker Nachrichten Torsten Teichmann |
Hermann van Veen konnte das Publikum begeistern | 30 mrt 1984 |
Er forderte einen schon ganz schön, der Hermann van Veen, dieser Liedermacher, Geiger, Harlekin, Pantomime und Parodist: Wenn nach drei Stunden der Vorhang fällt, dann herrscht Erschöpfung nicht nur auf der Bühne der Lübecker Stadthalle, sondern auch im Zuhöreiraum. Manchmal, so möchte man kritisieren, kommt beinahe zuviel Information herüber von dieser in Lichtkegel getauchten Bühne, von diesem Mann, der singt und geigt, Stirn und Kopf mit Handschlägen zur rhythmischen Conga verwandelt, der springt, hastet, schleicht und kriecht, stolziert und humpelt. Man hat Angst, daß die Lieder, für die man ja schließlich gekommen ist, von soviel Körpersprache verdrängt werden. Das Konzert, oder besser gesagt, die Aufführung dieses holländischen Theatermannes mit der großen, klaren Stimme und der herrlichen Sprache ist eine Offenbarung - im wahrhaftig wahrsten Sinne dieses Wortes. Die Furcht vor der Fähigkeit des Menschen, einen Fußbreit neben dem Abgrund Purzelbäume zu schlagen, ohne sich der Gefahr bewußt zu sein, kleidet van Veen in Worte und Gesten. Aber er ist kein sauertöpfischer Pessimist, kein Besserwisser. Den erhobenen Zeigefinger gibt es bei ihm nicht, es sei denn, er balanciert darauf einen Stock. Die Lebensfreude ist der Schmelztiegel der Verzweiflung, die aus vielen seiner Lieder klingt. Sein Mitmusiker Erik van der Wurff charakterisiert Hermann van Veen so: .Er ist ein Künstler, der von Eisscholle zu Eisscholle springt, um die andere Seite des großen Wassers zu erreichen, anstatt auf einer Scholle sitzen zu bleiben und auf Rettung zu warten. " Und genau dies spüren die Zuhörer beinahe schmerzhaft. Zwei ausverkaufte Konzerte in Lübeck am Mittwoch und am gestrigen Donnerstag sind deshalb ein reines ,Veen-omen". Torsten Teichmann |