Hamburger Rundshauu
ONNE HENNECKE

Hempi aus Holland

30. marz 1989

Die schwer verständliche Treue des Publikums zu Herman van Veen und dessen Mühen mit ebendieser

Am Abend des 24. Mai 1974 verläßt ein schlaksiger Holländer, damals noch im Vollbesitz seines Haarschmucks, unter tosendem Beifall die Bühne des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. Sein Name: Herman van Veen. Es sollte der Auftakt einer Bühnenkarriere sein, wie sie im deutschsprachigen Raum nur äußerst selten vorkommt. Fünfzehn Jahre später: Inzwischen in Saal 2 des CCH umgezogen, begrüßt der holländische Entertainer im einhundertsten man van Veen. Es sollte der Auftakt einer Bühnenkarriere sein, wie sie im deutschsprachigen Raum nur äußerst selten vorkommt. Fünfzehn Jahre später: Inzwischen in Saal 2 des CCH umgezogen, begrüßt derholländische Entertainer im einhundertsten Hamburger Konzert den 150.000 Besucher. Wie macht der das? Wie geht das? Nebenher nimmt er noch Platten auf, schreibt eine Oper (“Pol”) und Stücke für Kindertheater, ist in der Tat “bekannt von Funk und Fernsehen”. Was hat dieser Mann aus Utrecht, daß so viele Leute nicht genug davon kriegen können?



Herman van Veen weiß es wohl selbst nicht. “Ich war nie in, nie out”, konstatiert er, “aber ich war immer da.” Die Selbstbeschreibung setzt sich fort: “Konkret bin ich ein Mann, der in der Welt herumreist, tanzt und singt und den Leuten von seinem Schiß erzählt.” Damit ist wohl die wichtigste Zutat im Geheimrezept van Veens genannt. Da steht einer vom, der erzählt glaubwürdig - scheint es - von seinen Ängsten, nimmt ihnen etwas von den eigenen ab wie das Amen in der “mobilen Zirkuskirche des Herman van Veen”, wie Heinz-Rudolf Kunze das Treiben einst beschrieb. Auf dem Heimweg sind zu diesem Zeitpunkt nur die Leute, die nicht später mit ihrem Mercedes im Parkhaus-Stau stehen wollen, der Rest bleibt, trotzig. Ein außergewöhnliches Publikum, denn auf ein Zeichen und den kindischen Vers “Es war sehr nett, Herman muß jetzt in’s Bett” hin verstummen weitere Zugaben-Forderungen. Man weiß, wann es genug ist.
Man ist artig. Es wird ein letzter Applaus gesetzt, um uaiin seng uen koii treppen zuzustreben. Was weder Saalbeleuchtung, nörgelnde Ordner oder das demonstrative Abschalten der Verstärker auf der Bühne schaffen, gelingt “everybody's darling” Herman mit einem Zweizeiler.

Dafür werden stille Pointen oft von explosionsartigen Beifallsstürmen erschlagen, das erstbeste bekannte Lied im Karnevals-Takt kaputtgehauen. Das nervt ihn schon, den Herman, aber eine Kritik an seinen Ernährern, oder zumindest einem Teil von ihnen, man van Veen. Es sollte der Auftakt einer Bühnenkarriere sein, wie sie im deutschsprachigen Raum nur äußerst selten vorkommt. Fünfzehn Jahre später: Inzwischen in Saal 2 des CCH umgezogen, begrüßt der holländische Entertainer im einhundertsten Hamburger Konzert den 150.000 Besucher. Wie macht der das? Wie geht das? Nebenher nimmt er noch Platten auf, schreibt eine Oper (“Pol”) und Stücke für Kindertheater, ist in der Tat “bekannt von Funk und Fernsehen”. Was hat dieser Mann aus Utrecht, daß so viele Leute nicht genug davon kriegen können?

Herman van Veen weiß es wohl selbst nicht. “Ich war nie in, nie out”, konstatiert er, “aber ich war immer da.” Die Selbstbeschreibung setzt sich fort: “Konkret bin ich ein Mann, der in der Welt herumreist, tanzt und singt und den Leuten von seinem Schiß erzählt.” Damit ist wohl die wichtigste Zutat im Geheimrezept van Veens genannt. Da steht einer vom, der erzählt glaubwürdig - scheint es - von seinen Ängsten, nimmt ihnen etwas von den eigenen ab oder sagt zumindest: “Seht her, ich fühl’ genauso wie ihr.” Diese Verbindung zum Publikum scheint die Triebfeder all seiner Unternehmungen, ob clownesk oder sarkastisch, zu sein. Aber auch ein Mann, der Hoffnung vermittelt.

Der Mensch, so seine Einschätzung, “ist in meiner Grundüberzeugung, ich will nicht sagen gut, aber waaaahnsinnich interessant.” Das macht den Moralisten van Veen erträglich, ein erhobener Zeigefinger ist ihm fremd. Stattdessen zeigt er Widersprüche in jedermanns Handeln auf, aber unprätentiös allemal, und in der Regel so sanft, daß niemand mit schlechtem Gewissen nach Hause gehen muß. Keine Spur von Resignation, immer noch gelingt es Herman van Veen, mit Naivität und Phantasie Lösungen vorzuschlagen, die so einfach (oderauch simpel) sind, daß man nicht weiß, ob man sie ihm übelnehmen soll. Auf der letzten Tournee empfahl er den wettrüstenden Weltmächten, einfach so schöne Musik zu hören, daß sie vor Ergriffenheit und Begeisterung die Finger von den roten Knöpfen nehmen müßten. Die Unruhe unter den Friedensbewegten im Saal war offenkundig - sollte man

Die kommeiiden Themen in der HR: Frau Anagramme der Unica Zürn - Suchtberater: W Macht die IG Medien glücklich? - Erstvereinigi einen hungern, die anderen reden: Hungerstrei huder Marktplatz - Auch keine einfache Gesell verarscht werden? Herman van Veen fängt das auf: “Ich weiß, das ist eine Utopie, das ist naiv, die Wirklichkeit ist ganz anders. Aber die Idee ist genial.” Er spielt mit den Gefühlen der Leute, ohne ihnen je wirklich weh zu tun. Im aktuellen Programm intoniert die vorzügliche Band “Don’t worry, be happy”, im Nu fällt die Gemeinde in einen bedrohlichen Mitklatsch-Rausch, aus dem sie ebenso plötzlich erwacht, als van Veen mit eigenem Text die Bobby McFerrin-Weise begleitet: “Wasser tot, Erde bebt, kein Bär, der lebt - Don’t worry, be happy!” Die Reime mögen einfältig klingen, die Wirkung auf das Auditorium ist durchschlagend. Aufregende Stille herrscht, man spürt förmlich, wie einige vor Scham im Sessel versinken. Aber man kann sicher sein, gleich kommt irgendein kleiner Spaß, der das Entsetzen beendet.

Beim “Presse-Meeting” gibt sich Herman van Veen fast so wie auf der Bühne, freundlich. Da sitzt “Herman”, nicht etwa ein internationaler Star. Er steckt in ausgewaschenen Jeans, grünrot kariertes Hemd. Darüber ein blaues Jackett. In der Schule haben sie ihn früher immer “Hempi” (Hemd) genannt, erzählt er, weil ihm selbiges immer aus der Hose hing. Dazu sein gebrochenes Deutsch, dieser Carrell-Akzent zwischen Windmüüüh-leflüüügel und Tuuulpenfeldern, mindestens niedlich, zuweilen äußerst charmant. Im Konzert dreht er den Spieß um. Im Telefongespräch mit seiner Tochter erklärt er, wie die Leute in Hamburg reden: “Im Prinzip wie Holländisch, bloß mit einem merkwürdigen Akzent... so wie Großmama redet, wenn sie besoffen ist.”

Was auf dem Doppelalbum als erneute Zusammenstellung seiner “Greatest Hits” (wg. CD) erscheint, kommt auch auf der Bühne nicht ohne Reminiszenzen an frühere Auftritte aus: Der Kleiderständer, der von oben herabschwebt, ist ebenso altbekannt wie die Boris-Becker-Einlage in “Spiel, Satz, Sieg”. Später gibt sich van Veen überraschend als Steffi-Graf-Verehrer zu erkennen - “eine ganz tolle Tante.” Ah ja.

Zuletzt widmete er seine gesamte Kraft einem Federvieh: “Ich seh’ zwar nicht aus wie eine Ente, fühl ’ aber so”, vertraute der Schlaks schon vor Jahren seinem erheiterten Publikum an, inzwischen sind seine Geschichten von den “Abenteuern des Alfred Jo-docus Quak” nicht nur beliebter Lesestoff in Kindergärten, auch das Deutsche Schauspielhaus ließ sich 1985 mehrmals mit dem Erpel-Entertainment füllen. Nach Platte und Buch soll es nun auch noch zum Comic verarbeitet werden. Die Charakterisierung des Alfred Jodocus Quak - “er sieht was, er will was machen, es geht schief’ ist denn auch für van Veen “eine Art Selbstportrait”.

Alle lieben Herman. Vor allem sein treu ergebenes Publikum. Nach zwei Stunden halten sie locker noch eine weitere Stunde aus, klatschen ihren Liebling ein ums andere Mal aus der Garderobe. Merke: Ohne “Ich hab’ ein zärtliches Gefühl” verläßt Her- man keine bundesdeutsche Konzertbühne. Der Titel kommt denn auch wie das Amen in der “mobilen Zirkuskirche des Herman van Veen”, wie Heinz-Rudolf Kunze das Treiben einst beschrieb. Auf dem Heimweg sind zu diesem Zeitpunkt nur die Leute, die nicht später mit ihrem Mercedes im Parkhaus-Stau stehen sind zu diesem Zeitpunkt nur die Leute, die nicht später mit ihrem Mercedes im Parkhaus-Stau stehen wollen, der Rest bleibt, trotzig. Ein außergewöhnliches Publikum, denn auf ein Zeichen und den kindischen Vers “Es war sehr nett, Herman muß jetzt in’s Bett” hin verstummen weitere Zugaben-Forderungen. Man weiß, wann es genug ist. Man ist artig. Es wird ein letzter Applaus eesetzt. um uanii seng uen isontreppeh zozustir- ben. Was weder Saalbeleuchtung, nörgelnde Ordner oder das demonstrative Abschalten der Verstärker auf der Bühne schaffen, gelingt “everybody's darling” Herman mit einem Zweizeiler.

Dafür werden stille Pointen oft von explosionsartigen Beifallsstürmen erschlagen, das erstbeste bekannte Lied im Karnevals-Takt kaputtgehauen. Das nervt ihn schon, den Herman, aber eine Kritik an seinen Ernährern, oder zumindest einem Teil von ihnen, kommt nicht über seine Lippen. “Aber ein paar Beknackte gibt es doch überall”, äußert er zu einem anderen Thema - aber sicher auch an den Abenden im CCH 2. Hamburg, wo ihm zu seinem 44. Geburtstag 1.000 Menschen ein lautstarkes “Happy Birthday” widmen, was ihn sichtlich rührt, ist neben Münster (!) der Ort der stärksten Verbundenheit zwischen Sänger und Zuhörern.

Auch sein Publikum ist gealtert, der Bierbauch nicht ganz so selten wie zehn Jahre zuvor. Wo zu Beginn der achtziger Jahre noch Patschuli-Wolken anheimelnd in der Luft hingen und Palästinenser-Tücher geschwenkt wurden, regieren nun Lagerfeld und Leinensakko, kaum noch Besucher unter 25, zwischen 30 und 40 ist die Regel, Erinnerungen an die eigene Jugend, an die Zeit der Ideale werden leicht wehmütig zelebriert.

“Auf der Bühne biete ich Assoziationen”, sagt van Veen im Interview, “eine Art organisierte Utopie. Ebenso wie in der Gesellschaft ist all’ das, was ich tue, paradox.” Er gibt “ein Beispiel: Meine Schuhgröße 43 ist die Wirklichkeit, wohin ich gehe, das ist paradox.”