Tageblatt
Thomas Zimmer

Mehr als ein Liedermacher

Herman van Veen gastierte in der Heidelberger Stadthalie

30 mrt 1982

Dieser Herman van Veen aus Utrecht ist schon ein wahres Multitalent: Was er in der ausverkauften Heidelberger Stadthalle zu bieten hatte, war perfektes Entertainment im besten Sinne des Wortes. Er ist nicht einer jener zahllosen Liedermacher, die einfach ihre neusten Erkenntnisse über den Lauf der Welt zur spärlichen Gitarrenbegleitung verkünden; nein - er spielt seine Lieder und er lebt sie auf der Bühne. Der musikalische Hintergrund ist sehr zurückhaltend - eine kleine Besetzung ohne schrille Akzente, in der die Tasteninstrumente dominieren. Dazu Herman van Veen sehr variationsreiche Stimme, mit der er alle Gefühle von himmelhochjauchzend bis tief betrübt auszudrükken versteht.


Er gibt sich jedoch nicht mit dem bloßen Absingen beziehungsweise Vortragen seiner Lieder und Texte zufrieden; er unterstreicht sie vielmehr durch eine Vielzahl schauspielerischer und pantomimisener Akzente, die oftmals die inhaltlichen Aussagen seiner Texte unterstützen, manchmal aber auch - und das muß kritische angemerkt werden - auf den ersten Blick etwas verwirrend wirken.

Überhaupt macht es Hermann van Veen seinem Publikum nicht einfach: Ihm fehlt so oft das plakative, formelhafte anderer Liedermacher, er läßt gerne seine Gedanken schweifen, macht Gedanken sprünge, die für den, der die betreffenden Stücke nicht eh schon in- und auswendig kennt, unverständlich oder zumindest aufgesetzt wirken müssen. Andererseits muß man gelten lassen, daß sich dieses nicht Eindeutige, nicht sofort Verstehbare aus der Thematik der Stücke ergibt, deren Vielschichtigkeit nicht immer mit einfachen Formeln in den Griff zu bekommen ist.

Er singt gegen Anpassung, gegen Intoleranz, für mehr menschliches Verständnis, mehr Spaß und gegen Langeweile und Öde. Und natürlich für den Frieden. Ein großes Plus seiner Vortragsweise liegt darin, daß es ihm immer wieder gelingt, textliche Schwachstellen durch seine eindringliche Darstellung zu überspielen, sie garnicht erkennbar werden zu lassen. Bei alldem ist er stets um Nähe zum Publikum bemüht. Schon zu Anfang des Konzertes fällt er förmlich über die Zuschauer her vom hinteren Ende des Saales bis auf die Bühne. Oder er springt mitten im Konzert von der Bühne herunter, um sich auf einer Zuhörerin in der ersten Reihe niederzulassen. Über so etwas kann man ja nun auch geteilter Meinung sein, aber jedenfalls läßt er sich ständig wieder etwas Originelles einfallen, um die volle Aufmerksamkeit der Zuhörer zu erlangen. Das gelingt auch durchgehend, die meisten der Lieder werden schon zu Anfang mit großem Beifall aufgenommen. Herman van Veen stellte sein Publikum sicher voll zufrieden.

Ein Wermutstropfen fiel allerdings in die Freude über einen gelungenen Konzertabend:
Es gab in der Stadthalle Plätze in der höheren Preiskategorie, von denen aus man nun wirklich absolut nichts anderes sehen konnte als die Türme der Lautsprecheranlage in ihrer nicht unbedingt berauschenden Seitenansicht.
Die Eintrittspreise sind sowieso schon hoch genug.

So sollte man wenigstens für sein Geld auch einen entsprechenden Gegenwert bekommen.



Thomas Zimmer