Neue Ruhr Zeitung
KARL-HEINZ MÜLLER

Herman van Veen mit viel Engagement

Publikum war begeistert

30 jan 1984

RHEINBERG. Anders als vor seinem ersten Auftritt in Rheinberg hat Herman van Veen dieses Mai, wie er selbst sagte, die niederrheinische Konzertstation auf Anhieb gefunden. Zu hoffen bleibt, daß Rheinbergs Namen auch zukünftig in den Tourneeplänen des vielseitigen niederländischen Künstlers auftauchen wird. Auch wenn van Veen sich über die für den enormen Publikumsandrang zu kleine Stadthalle und die für seine Spielszenen zu enge Bühne beklagte: Das Publikum (1224 Zuschauer sorgten für eine ausgezeichnete Atmosphäre) nahm am Samstagabend die "Signale", die neuste van-Veen-Produktion, begeistert auf. Der Sänger, Pantomime, Clown, Poet und Instrumentalist zog in dem über zweistündigen Programm alle Register seines Könnens.


Engagiert wie die Texte, die . außer Herman van Veen z. B. Willem Wilmink, Raymond Asso und Liselore Gerritsen geschrieben haben, war auch die Aktion auf der Bühne. Wenn van Veen, der in der europäischen Friedensbewegung aktiv ist, über die Nachricht "Die Bombe fällt nie" singt, wird die angenommene Gewißheit einer gesicherten Zukunft urplötzlich verfremdet und zur eigentlichen Bedrohung aufgebaut. Neue Sorgen, die damit auf die Menscheit zukämen, tauchen als Schreckgespenst auf, ohne daß der Text verkleistern kann (und wohl auch will), daß diese neuen Sorgen im Vergleich zu der einen großen, dem Fallen der Bombe, leicht und gern zu ertragen wären.

Zwischen den Musikstücken bringt Herman van Veen pantomimische Einlagen, die oftmals mit gekonnt komischer Aufmachung auf vermeindliche Alltagssituationen aufbauen . Nach eitler überraschenden Wende läuft die Szene zwar ebenso "normal" weiter, wodurch aber nur die enorme Distanz zu den gesellschaflichen Realitäten überdeutlich wird: Ein schwarzbefrackter Bräutigam ausgestattet mit dem obligatorischen "Braut"strauß vertreibt sich die Wartezeit mit Radiomusik. (Ganz hervorragend dabei van Veens Tanzeinlage auf dem Stuhl sitzend.) Diese lustige Episode und die Wartezeit des Bräutigams wird beendet durch: den Bräutigam, der ganz in weiß seinen Bräutigam begrüßt und umarmt. Grotesk wird das von den beiden Männern übernommene übliche Hochzeitszeremoniell, weil auch das symbolische Reisstreuen nicht fehlt.

Weitere Höhepunkte: Der Versuch den Unterschied zwischen den Begriffen abstrakt und konkret zu verdeutlichen, wobei van Veen im Wechsel in die Rolle eines Japaners (Typ: "Kommißkopp") schlüpft und dies guttural überzeugend meistert. Ein Unterscheidungsmerkmal kann eine gewisse Nähe zur offensichtlichen Wende in der bundesdeutschen Kulturpolitik nicht abgesprochen werden: Kunst gleich abstrakt ("weg damit"), Politik gleich konkret.

Sehr einfühlsam stellt van Veen auch die vergeblicher Bewerbungsversuche eines Arbeitssuchenden dar, wobei effektvoll - wie in dem gesamten Programm - Licht und Musik eingesetzt werden. Lieder und tänzerische Einlagen von Herman van Veen erhielten durch Erik van der Wurff (Klavier, Synthesizers), Nard Reijnders (Saxophon, Klarinette), Chris Lookers (Gitarre) und Cees von der Laarse (Baßgitarre) den je nach Stimmung und Temperament der Darbietung passenden musikalischen Rahmen.

Die Begeisterungsstürme, die die "Signale" beim Publikum entfachten, holten die Künstler zweimal zu Zugaben zurück auf die Bühne.

Ein Vorteil zeigte sich wieder bei der für solche Auftritte unbestuhlten Stadthalle: Sie eignet sich hervoragend für das "Bad in der Menge", was Herman van Veen reichlich ausnutzte.



KARL-HEINZ MÜLLER