Neue Presse
MONIKA HAHN

Punks und Pelz: Von Kopf bis Fuß auf Herman eingestellt

29 nov 1985

"Quiet please", sagt Herman, und im ausverkauften Aegi wissen alle sofort, was hier nun gespielt werden soll: Der große Blonde aus Westbroek parodiert den langen Blonden aus Leimen. Den Jungen mit dem harten Bums in der Rechten, der uns gelehrt hat, daß der Tie Break alles andere als eine Teepause ist.


Ganz gleich, was dieser van Veen macht, seine große Gemeinde ist von Kopf bis Fuß auf Herman eingestellt-und sonst gar nichts. Da sitzen siefriedlich nebeneinander, die in ihren Latzhosen, die daheim auf Muckefuck schwören und die in ihren Pelzen,die es mehrmit einem Glas Moet & Chandon halten. Sogar ein paar Punks sind darunter.

Allesamt beklatschen sie den Holländer, und der macht Theater. Heult Krokodilstränen oder lacht sie. Spielt seine Szenen von betörender Menschlichkeit, hat auch mal den knatternden Witz drauf (vom Otto-Wahnwitz nur ne schmale Spur), ist heiter, sinnlich, behutsam.
Was Herman van Veen auf die Bühne bringt, ist großes Entertainment mit den Elementen desTheaters-enga-giert und ambitioniert bis hinein in die Albereien vom „Floebelegab stobelegab flop flop flee", und wer mag, kann selbst darin Symbolträchtiges sehen.

Vom lieben Gott ist Rede und Gesang („wenn es ihn gibt, dann sitzt er in den Füßen einesTänzers oderim Kehlkopf von Stevie Won-der“); vom Tod („das geht doch gar nicht, daß ich einfach nicht mehr da bin -ich muß doch irgendwo geblieben sein“); von welker Liebelei.

Politisches bleibt im Hintergrund und ist doch hintergründig. Wenn er etwa in die Kiste geht und den rechten Zeigefinger mit übergestülptem Ball den linken, nackten, fragen läßt: Bist du Christdemokrat? Bist du Kommunist? Und als derihm wütend den „Kopf“ abbeißt, feststellt: Aha, Kapitalist!
Und wenn die Herman-Gefolgschaft tatsächlich mal nicht stantepede Beifall aufbrausen läßt, dann bittet Herman (gefälligst!) darum. Denn: „Sonst weiß ich ja nicht, wann ich aufhören muß."

Van Veens neues Programm, mit dem er bis 30. November im Aegi gastiert, ist nicht so schwierig metaphernreich wie die vorangegangenen, die Szenen fliegen einen nur so an - wenn auch vieles bekannt ist, das jetzt freilich variiert über die Rampe kommt. Auch der Plastikball ist wieder dabei, diesmal jedoch nicht als Symbol für die Erdkugel, sondern bloß ein Ding, mit dem man zaubertricksen kann. Ätsch - ganz einfach.

Hermans Begleitband ist weiterhin exzellent, seine Stimme so schön und so voluminös wie eh und je -Clowneskes überwiegt.

Noch eins sei gesagt, ich weiß, daß er drauf wartet: Nein, Herman, diesmal hast du keine Mätzchen (knallrote Stöckelschuhe, orangefarbenes Ohrgehänge) gemacht.


Es war-wie sagst du immer: „Total toll!"