NEUE PRESSE HANNOVER
MONIKA HAHN

Tiefsinn, Machsinn, Irrsinn, Blödsinn - und viel Konfetti

Herman van Veen ausverkauft

29. okt 1992

Willkommen im Grand Hotel Deutschland: Noch mehr Etagen seit der Wende; ein Tophaus eigentlich schon seit 1800, in dem berühmte Leute wohnten - Adolf Hitler, Robert Stolz, Rudi Carrell.


Gehn Sie (welcome!) auch mal vor die Türe. Da macht sich deutsche Prosa breit: rassistische Graffitis und Sieg Heil, Heinz ist doof und Gudrun geil. Na dann, Damen und Herren: Je t'aime, take care - und macht es gut.

Willkommen im Grand Hotel Deutschland - willen bei Herman van Veen. Dienstag abend, Aegi ausverkauft. Bis einschließlich Sonnabend. Da ist gar nichts mehr zu machen.

Herman ist hier: Schon so was wie ein guter Freund - seit Jahren. In Treue fest. Einer, mit dem unsereins da unten im Sessel auf Du und Du ist. Weil er doch so schön in einen reinkriecht, einem das Herz aufreißt und das Hirn martert.

Siehste, was ich meine? Ja, Herman, sehen wir - sind'ja so vertraut mit dem, was du da anstellst auf der Bühne. Herr-Mann!
Und das ist dann auch schon der (kleine) Haken an der Sache. Alles bißchen zu vertraut, zu geläufig, zu bekannt. Und wenn es auch - verdammt, ja doch! - tausendmal Charme, Witz, Geist und eine große Stimme hat.

Auch wieder da: Baby Herman. Hat „noch immer Kopfschmerzen vom Rauspressen". Und war, o je, so häßlich, daß der Hund, Sauvieh!, nur mit Baby spielte, wenn ihm eine Wurst um den Hals hing. Lacher garantiert. Kalauer - na und? Ach, Herr-Mann!

Wie gehabt: Er nimmt, wir ahnen das schon, die Kurve zu den Nazis. Zum Mann, der wie auf dem Viehmarkt über einen Platz gehetzt wird. „Schau, da stehn drei deutsche Soldaten, sehen spöttisch lächelnd zu, und daneben blickt ein vierter leicht beschämt auf seine Schuh.'1 Das sitzt. Und wir sitzen ganz bedröppelt, ganz bedripst rum.

Nicht lange, weil Papa Herman (alte, liebe Gewohnheit) zum Telefonhörer greift: Wo ist Mama? Bodybuilding, hm. Du hast Angst? Papa singt dir ein Lied: Baby, schlaf sacht - Harakiri, gute Nacht. Und nun mach Pipi und schlaf. Und gib mir die Oma.

Hast du Bronchitis? Willst du dich einäschern lassen? Mach mal - das ist hygienischer. Wegen der Würmer. Die können dann nicht an den Zehen knabbern. Rostock? Nein, Mama, mir passiert nichts. Ich bin Holländer und habe blaue Augen.

Rasanter Wechsel zu skurrilen Träumen, pantomimischen Scherzi. Zu Quatsch mit Soße, zum Dilemma: Lieber Gott, was wird aus dir, wenn wir nicht mehr da sind?
Und was wäre mit uns, wenn Herman nicht mehr da wär!? Es würde was fehlen: Tiefsinn, Flachsinn, Irrsinn, Blödsinn. Und jede Menge Konfetti.
Nein, nicht daß Herman nun, im neuen Programm, nicht mehr der hinreißende Herman wäre. Behauptet doch keiner. Bloß, irgendwie ist man eben nicht mehr baff. Alles zu vertraut. Schade eigentlich. Bitte? Schon wahr: In dieser beschissenen Welt ist Vertrautes auch nicht zu verachten. Sag ich doch! Bleib man da, Herman:

Je t'aime, take care - und mach's gut. < i£> O U3