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Martin Lugauer

Hermann van Veen am Dienstagabend in der Gießener Kongreßhalle

"Ich habe ein zärtliches Gefühl für den, der sich zu träumen traut"

De Holländer zeigte sich als Sänger, Clown, Pantomime, Parodist und Spaßvogel

29 okt 1981

Gießen
"Ich heiße Hermann van Veen. Ich bin kein Politiker, kein General. Ich bin ein Clown, ein Harlekin." So stellte sich der schlaksige Entertainer aus Holland am Dienstagabend in der Gießener Kongreßhalle vor. In seinem mehr als zweieinhalbstündigen Programm zeigte er jedoch weit mehr: Er sang von Liebe, Alleinsein und Nicht-verstanden-Werden. Mal zeigte er dem Publikum recht drastisch, daß es nicht unkritisch applaudieren sollte, mal spuckte er Golfbälle oder Konfetti oder kraulte einer Zuhörerin das Haar.



Von den meisten seiner Lieder, mit guter Stimme und liebenswürdigem Akzent vorgetragen, ging etwas Beruhigendes, Entspannendes aus. Das begann mit dem Lied "Herz", wo es heißt: "Hörst du nicht den Trommler, der beharrlich in dir schlägt, der dich bei aller Gegenwehr auch durch's Feindeslager trägt, hör auf ihn, er sagt dir was." Hier kam am besten heraus, was Hermann van Veen will und was nicht. Er hat nichts übrig für Anpasser und Aufsteiger, die auch über Leichen gehen, die mit dem harten Zug um den Mund und dem Mäntelchen im Wind. Er glaubt nicht an Regeln, sondern an Gefühle, menschliche Schwächen.

Oft sind seine Aussagen philosophisch, poetisch verbränt, mit Komik verschleiert. Aber er kann auch konkrete Forderungen stellen, etwa: "Man kann etwas tun, man kann zum Beispiel nein sagen. Nicht irgendwann, jetzt und hier, worauf warten wir?"

Auch andere Seiten von Hermann van Veen kamen in der nicht ganz ausverkauften Kongreßhalle zum Vorschein. Gekonnt waren seine parodisti- schen, pantomimischen Einlagen, das Trommelsolo auf dem Baß, seine Blues-und-Rock- Persiflage, seine Grimassen, seine akrobatischen Verrenkungen, wenn er in Blödel-Otto-Manier über die Bühne, oder noch effektvoller, über die Stuhlreihen hampelt.
Auch die Technik setzte der weißgekleidete Holländer mit der hohen Stirn wirkungsvoll ein: So erzitterte der Saal minutenlang im Kanonendonner, blendete ein Lichtblitz die Zuhörer. Vorausgegangen war die Bemerkung: "Wenn ein Soldat jemanden erschießt, schießt er sich am Ende selbst tot."

In Hermann van Veens Pro- - gramm gab es jedoch auch Schwachstellen, billigen Klamauk, dumme Sprüche. So bemerkte er zur Gleichberechtigung der Frau: Das emanzipierte Getue - was hat es gebracht? Die Frauen können Zigaretten drehen, allerdings schief."

Wer sich von dem einen oder anderen Showteil vor den Kopf gestoßen fühlte, den versöhnte der selbsternannte Harlekin in dem mit etlichen Zugaben garnierten Finale. Alle hingen an seinen Lippen, als er sang: "Ich habe ein zärtliches Gefühl für jeden, der sich zu träumen traut."
Dann lief er durch den Saal, daß ihn auch die Gäste auf den hinteren Rängen hautnah erleben konnten, er öffnete die Ausgangstür und verschwand - Hermann van Veen, der kritische Spaßmacher, meist sympathisch, manchmal provozierend, schwer einzuordnen, auf jeden Fall Sehens- und hörenswert.



Martin Lugauer