Main-Tauber-Post
Max Schmidt

Hand in Hand

Herman van Veen bei seinem Wurzburg-Debüt begeistert gefeiert

29 feb 1984

Als Herman van Veen, dieser springlebendige und zugleich so träumerische Vielfach-Könner aus Holland hei seinem Würzburg-Debüt in der Lengfelder Kürnachtalhalle um halb zwölf die fünfte Zugabe ausklingen ließ, hatte das sich vor Begeisterung schier überpurzelnde Publikum immer noch nicht genug. Stürmisch wurde ein weiteres Dacapo gefordert.


Dreieinhalb Stunden zuvor. Die Kürnachtalhalle war knallvoll wie schon lange nicht mehr bei einem bestuhlten Konzert. Doch die drängende Enge fiel nicht mehr ins Gewicht, als nach einem gewohnt brillanten Eröffnungs-Gag Herman van Veen auf der nur von einem riesengroßen Luftballon bevölkerten Bühne erschien: ein maximaler Clown, dessen Skala von "todernst" bis "zum Totlachen" reicht. Atemberaubend, wie er sein von Gegensätzlichkeiten bestimmtes Programm abspult.
Mal zärtlicher Streichler, mal knallharter Aufrührer. Spaßmacher, Spötter, Slapstick-Figur, Kabarettist, Lebensphilosoph und Poet in einer Person. Ein Genuß sind seine Pantomimen, Zeugnisse einer schier unbegrenzten Wandlungsfähigkeit, eine Offenbarung seine Lieder, die sich an keinem aktuellen Problem vorbeimogeln, die zupacken, wo es zuzupacken gilt, und immer wieder zum Träumen und Sich-Sehnen einladen.

Seit seiner fränkischen Premiere vor vier Jahren in Nürnberg hat Herman van Veen einige Derbheiten abgelegt, seine verblüffende Skurrilität verfeinert und - er ist politischer geworden. Ob er vehement für die Verfolgten Partei ergreift, wie im Titel-Song seiner jüngsten LP "Signale", in einem Mini-Drama die Not eines arbeitslosen Ausländers dem Zuschauer ins Gedächtnis brennt, ob er in dem querdenkerischen "Die Bombe fällt nie" an den drohenden Atomtod erinnert (wobei das Wort "kern-gesund" einen gar bitteren Geschmack bekommt), ob er die Mitläufer geißelt, die ihr "Mäntelchen mit Sorgfalt in den Wind" hängen.

Welch mächtige Stimme er hat, beweist er, wenn er mit ihr auch ohne Mikrofon den Saal durchmißt. Welch exzellenter Musiker er ist, demonstriert er mit Geige und Klavier.
Und sein Gespür für Ensemblespiel belegt das von dem treuen Weggefährten Erik van der Wurff angeführte, neuformierte Quartett, das heißen Jazzrock-Rhythmen ebenso wenig abgeneigt ist, wie ein- gehauchten Sphären-klängen.

Herman van Veens Rezept gegen alle Übel dieser Welt ist die Musik (die, weil sie so schön ist, dem Krieg die Kundschaft vertreibt), ist aber auch sein seit über zehn Jahren geradezu programmatisches "zärtliches Gefühl", das er, wie er in diesem auch in Würzburg am meisten bejubelten Evergreen singt, für den hat, "der sich zu träumen traut, der, wenn ein Traum die Wahrheit trifft, noch lachen kann ..." Es ist - ganz lapidar - die Liebe ("Und er geht und er singt", Abschiedslied vor dem Zugaben-Block), verbunden mit der schlichten Feststellung:

"Du und ich, Hand in Hand; alles geht - doch nur Hand in Hand."



Max Schmidt